2. Februar 1967: Rumänen geloben Freundschaft

2.2.2017, 07:17 Uhr
2. Februar 1967: Rumänen geloben Freundschaft

© Gerardi

Dafür verbürgten sich die Oberbürgermeister von Bukarest, Kronstadt (Brasov), Ploesti und Timisoara beim ersten offiziellen Besuch einer Abordnung von Kommunalpolitikern aus Südosteuropa bei ihrem Amtskollegen Dr. Andreas Urschlechter im Rathaus. Sie äußerten die Hoffnung, daß nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Rumänien und der Bundesrepublik der menschliche Kontakt zwischen den beiden Staaten und ihren Städten enger und herzlicher werde. Nürnbergs Stadtoberhaupt versicherte die Rumänen der alten Sympathien, die ihr Land und Volk in dieser Stadt genießen.

Die vier Oberbürgermeister, die seit 20. Januar auf Einladung des Deutschen Städtetags unterwegs sind, konnten beim Empfang im Rathaus ein kleines Jubiläum feiern: sie wurden zum zehnten Male im Rathaus einer deutschen Großstadt willkommen geheißen. "Wir freuen uns über Ihren Besuch besonders herzlich, weil unsere Stadt in ihrer Geschichte immer schon enge Beziehungen zum Südosten und Rumänien pflegte", sagte Dr. Andreas Urschlechter seinen Kollegen aus dem kommunistischen Land. Der neue Europakanal Rhein-Main-Donau, der 1970 Nürnberg erreichen und von hier nach Regensburg weitergebaut wird, trage gewiß dazu bei, die traditionell freundschaftlichen Bande wieder zu festigen und Handel und Wandel hier wie dort zu beleben.

Der Oberbürgermeister stellte mit knappen Worten die nordbayerische Metropole vor, die als Synthese von alt und neu aus den Trümmern wiedererstanden ist, und bat seine Gäste, offenen Auges durch die Straßen zu gehen, Angenehmes und weniger Schönes anzusehen, und mit ungeschminkter Kritik nicht hinter dem Berg zu halten. "Wir Kommunalpolitiker müssen danach trachten, in gemeinsamen Gesprächen die besten Lösungen für unsere Bürger zu finden", meinte er. Der Besuch kurz vor dem Botschafteraustausch zwischen beiden Ländern steht unter einem guten Stern, denn er mache künftig einen lebhaften Gedankenaustausch möglich.

Mit vielen Komplimenten bedankte sich Gheorghe Dimitrescu aus Kronstadt im Namen seiner Kollegen Ion Cosma (Bukarest), Gheorghe Dimitrescu (Ploesti) und Leonida Tamas (Timisoara). "Den Fleiß ihrer Bevölkerung, die der Stadt sehr viel Liebe entgegenbringt, spürt man bei jedem Schritt auf der Straße", ließ Dimitrescu übersetzen. Der Oberbürgermeister der rumänischen Hauptstadt forderte die anwesenden Presseleute auf, einen ebenso großen Beitrag zur Völkerverständigung zu leisten wie die Zeitungen und der Rundfunk in seiner Heimat.

Zum Abschied vom Rathaus gab‘s für die Gäste kleine Geschenke und einen großen Ehrenbeweis. Sie durften Nürnberg in Buchform davontragen und sich im Gästebuch verewigen. Dr. Urschlechter aber kann daheim eine Flasche rumänischen Weinbrand auf ein handgesticktes Deckchen stellen und beim Genuß der alkoholischen Flüssigkeit Volksmusik von der Platte hören.

Wie in allen anderen Städten auch, erwartet die Besucher ein anstrengendes Programm, das sie sich freilich selbst so gewünscht hatten. Baureferent Heinz Schmeißner, der im vorigen Sommer Rumänien bereist und viele fachliche und menschliche Eindrücke gesammelt hat („Dort wird westlich orientiert, nicht im östlichen Zuckerbäckerstil gebaut!“), war für die wissensdurstigen Gäste genau der richtige Führer.

Blick von der Burgfreiung

Von einem Ausflug in die Vergangenheit und von den Modellen am grünen Tisch – Schnellstraße, U-Bahn, Kanalhafen, Wöhrder See oder Hubschrauberlandeplatz über den Bahnsteigdächern des Hauptbahnhofes – ging es hinaus in die Wirklichkeit, wobei sich die rumänischen Oberbürgermeister nicht nur für die Glanzstücke modernen Städtebaus, sondern auch für die wiedererstandene Altstadt und die Nordostbahnhofsiedlung der WBG interessierten. Sie erklommen deshalb sogar die Burgfreiung, um sich von dieser Warte aus die Situation in der City schildern zu lassen.

Als die Reisegruppe mit einiger Verspätung nach München weiterfuhr, spendete der Bukarester Oberbürgermeister Ion Cosma hohes Lob. "Nürnberg ist wieder eine zauberhafte Stadt geworden. Ich weiß nicht, was ich zunächst mehr bewundern soll: die Altstadt oder die neuen Viertel; am besten vielleicht beides zusammen."

So sehr die Gäste hier willkommen sind, so wenig gern sieht man ihren Besuch in der Bundesrepublik offensichtlich auf sowjetzonaler Seite. Das SED-Zentralorgan "Neues Deutschland" forderte die vier Stadtoberhäupter, die vor wenigen Tagen die Zonengrenze bei Göttingen besichtigt hatten, in einer Meldung auf, diese Demarkationslinie einmal von Osten her zu betrachten.

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