2. Mai 1968: Schon bald Anklage

2.5.2018, 07:00 Uhr
2. Mai 1968: Schon bald Anklage

© Gerardi

Unter ihnen befinden sich sieben Erwachsene und 20 Jugendliche, die sich wegen Landfriedensbruchs, Auflaufs, Sachbeschädigung, Körperverletzung und Widerstandes gegen die Staatsgewalt verantworten müssen. Die meisten von ihnen wurden mit Hilfe von Bildern identifiziert, die Kriminalbeamte und Schutzpolizisten aufgenommen hatten.

”Wir haben unsere Untersuchungen abgeschlossen“, erklärte gestern Polizeipräsident Dr. Horst Herold. Das Ermittlungsergebnis wurde bereits der Staatsanwaltschaft zugeleitet, die schon in den nächsten Tagen Anklage erheben will. „Die ersten Prozesse werden bald folgen“, meinte Oberstaatsanwalt Rudolf Grasse, „weil sämtliche Verfahren so weit fertig sind“.

„Wir haben unsere Ermittlungen nur auf die Leute konzentriert, die strafbare Handlungen begangen haben“, sagte Dr. Herold. Vor den Schranken des Gerichts sehen sich wieder: sechs Studenten zwischen 19 und 26 Jahren, sieben Schüler zwischen 15 und 18 Jahren, zwei Bäckergehilfen zwischen 18 und 28 Jahren, zwei 16jährige Bäckerlehrlinge, ein 18jähriger Buchhandelslehrling, ein gleichaltriger Chemie-Laborantenlehrling, ein 15jäh-riger Dekorateurlehrling, ein 25jähriger Koch, eine 18jährige Kontoristin, ein 19jähriger Großhandelskaufmann, ein 23jähriger Parkettleger, ein 18jähriger Schauwerbegestalter, ein 17jähriger Speditionskaufmann und ein 27jähriger ohne Beruf.

Acht Demonstranten bezeichnet die Polizei als Rädelsführer, die sich „beim Zerstören von Fahnen und Transparenten besonders hervorgetan“ haben. Unter den Tätern sind zehn Heranwachsende. 22 Personen wohnen in Nürnberg, fünf sind in Fischbach, Schwabach, Lauf und Stadeln zu Hause. „Wir haben bewußt darauf verzichtet“, resümiert Dr. Herold die unliebsamen Zwischenfälle beim SPD-Parteitag am 17. März, „Schnellverfahren einzuleiten, die nach dem Gesetz möglich sind. Uns war an einer sorgfältigen Klärung in ruhiger Atmosphäre gelegen“.

Inzwischen steht auch fest, daß der SPD-Vorsitzende Willy Brandt und sein „Vize“ Herbert Wehner beim Betreten des Tagungslokals nicht von Demonstranten geschlagen worden sind. „Bei Durchsicht des Bild- und Filmmaterials hat sich das bestätigt“, erläuterte Dr. Herold. Der Polizeipräsident räumte jedoch ein, daß beide Minister „erheblich bedrängt“ wurden.

Dagegen konnte „mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit“ (Dr. Herold) der Jugendliche identifiziert werden, der aus der Menge eine Ammoniakflasche gegen die Meistersingerhalle geworfen und einen Polizeibeamten verletzt hat. Die übrigen Täter haben Fahnen angezündet, Sachwerte beschädigt, Polizeibeamte verprügelt und zum Sturm auf die Meistersingerhalle geblasen.

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