2. März 1968: Der Mäzen ist selbst nicht gut bei Kasse

2.3.2018, 07:00 Uhr
2. März 1968: Der Mäzen ist selbst nicht gut bei Kasse

© Gerardi/Helmholz

Seit sie jeden Pfennig zusammenkratzen muß, um überhaupt noch bauen zu können, bleibt kein Geld mehr für den Schmuck an und in neuen Häusern übrig. Der Oberbürgermeister hat Ende des Jahres 1966 als Folge der finanziellen Nöte den Hahn zugedreht, aus dem bisher Aufträge an einheimische Künstler geflossen sind.

"Bis auf weiteres" wurde jener Stadtratsbeschluß vom Jahre 1963 ausgesetzt, nach dem ein Prozent der Bausumme für schmückendes Beiwerk dreingegeben werden soll.

Als der Wohlstand hohe Wogen schlug, besann sich die Obrigkeit auf ihre Rolle als Mäzen für das "notleidende Künstlervolk". Die sogenannte öffentliche Hand gab sich mildtätig und brachte Geld unter die Kunstmaler und Bildhauer. Kindergärten und Krankenhäuser, Schulen und Schwimmbäder bekamen Brunnen und Plastiken, verkleidete Säulen und ganze Mosaik-Wände. Nur technische Bauten wie etwa der Schlachthof oder der Großmarkt blieben unbeleckt von der Zunge der Kultur.

Ein gutes Beispiel

Die Stadt Nürnberg ging dabei mit gutem Beispiel voran, denn schon im Juli 1953 setzte sie ein halbes Prozent der Bausumme für künstlerische Arbeiten aus. "Die Grundidee war von allem Anfang an, daß einem Haus nicht irgend etwas aufgeklebt werden, sondern sich der Schmuck dem Gesamtwerk anpassen sollte", erklärt Oberbaudirektor Otto-Peter Görl, der Leiter des städtischen Hochbauamtes. Als ideales Beispiel dafür nennt er das Betonrelief im Westbad, das in die tragende Struktur verwoben und somit in die Architektur einbezogen worden ist. Der Künstler stand dort, wochenlang auf dem Zimmermanns-Platz, um an der Schalung als Negativ-Form für sein Werk mitzuarbeiten.

Knapp neun Jahre nach der Stadt entdeckte auch der Staat ganz offiziell sein Herz für die Kunst am Bau. In einer Entschließung der Regierung von Mittelfranken vom 16. Mai 1962 heißt es: "Bei allen größeren staatlichen Bauvorhaben sind zwei Prozent der Bausumme für die künstlerische Ausgestaltung des Bauwerks in die Kostenvoranschläge einzusetzen. Für Städte und Gemeinden bestehen zwar in dieser Hinsicht keine verbindlichen Vorschriften, erfreulicherweise hat trotzdem eine größere Anzahl kommunaler Bauträger bei ihren Bauvorhaben von sich aus freiwillig Mittel für die künstlerische Ausgestaltung in die Kostenvoranschläge aufgenommen." Als Grund wird ausdrücklich die große Not der einheimischen Künstler angegeben, die selbst im Wirtschaftswunderland von privaten Aufträgen allein nicht leben könnten.

Keine Verschwendungssucht

Nürnberg ließ sich solches nicht zweimal sagen. Daher beschloß der Stadtrat Ende 1963, daß künftig ein statt ein halbes Prozent der Baukosten für die Kunst hingegeben werden muß. Bei Millionen-Projekten fielen hübsche Beiträge für den Schmuck und die Künstler ab, die daran feilten, malten und modellierten. Wenngleich solches Mäzenatentum den Städten und Gemeinden gelegentlich den Vorwurf der Verschwendungssucht - von meist unberufener Seite - eintrug, sie gingen ihren Weg unbeirrt weiter.

Die Wände bleiben kahl Große Abstriche waren unumgänglich

Bei stattlichen Projekten brachten die spendablen Gesten der Stadt und den Künstlern gleichermaßen Gewinn. Ein Paradebeispiel dafür stellt die Schulanlage Merseburger Straße nahe dem Nordostbahnhof dar, in der die Handschrift von drei bekannten Zeitgenossen in vielfältigen Formen zu sehen ist. Egon Eppich schuf ein Betonrelief, Oskar Koller eine Mosaik-Wand in der Pausenhalle und Heinz Heiber eine Plastik im Hof.

Trotz der Effekte für das Auge und den Geist mußte die Stadt jedoch die Kunst am Bau streichen, als sie feststellte, daß ihr Geld kaum noch für die lebenswichtigen Bauaufgaben reicht. Der Oberbürgermeister verfügte angesichts eines ernsten Sparprogramms, daß nichtfinanzierte Gebäude vorerst ohne Schmuck bleiben sollen. Von dieser Anordnung sind die Volksschule Insel Schütt, das Hallenbad Süd, das Gemeinschaftshaus Langwasser und der Bau 14 in den Städtischen Krankenanstalten betroffen. In diesen Häusern werden zunächst die Wände kahl und die Grünanlagen ohne Brunnen und Plastiken bleiben.

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