20. Dezember 1966: Unterschlupf bei Katastrophen

20.12.2016, 07:00 Uhr
20. Dezember 1966: Unterschlupf bei Katastrophen

© Ulrich

Im Sofortprogramm und im Vorabprogramm sind 17 Hochbunker und zehn Tiefbunker, davon zwei Felsenkeller, verzeichnet. Außerdem wird – wieder einmal – untersucht, wieweit sich die jahrhundertealten Stollen im Burgberg für den Zivilschutz eignen.

Die Stadt ist dabei nur Zuschauer. Erst wenn die Bauarbeiten abgeschlossen sind, muß auch der Kämmerer für die kostspielige Wartung tief in die Tasche greifen.

"Niemand von uns wünscht sich, daß wir die Bunker jemals wieder im Ernstfall brauchen, aber wir wissen auch nicht, ob die Menschen immer vernünftig bleiben", begründet SPD-Stadtrat Albert Bleistein, der Leiter des Amtes für Zivilschutz am Jakobsplatz, die Notwendigkeit, die Bunker wieder auf Hochglanz zu polieren.

20. Dezember 1966: Unterschlupf bei Katastrophen

© Ulrich

Nürnberg hat es dabei besser als die meisten anderen Großstädte, die ihre Bunker in den ersten Nachkriegsjahren in die Luft gejagt haben. Als in der Bundesrepublik der Zivilschutz eingeführt wurde, konnten Bund und Stadt auf die Nürnberger Bunker zurückgreifen. Oberbürgermeister Dr. Andreas Urschlechter und der inzwischen verstorbene Stadtrat Schönleben hatten sich nämlich vor vielen Jahren in weiser Voraussicht dafür eingesetzt, die Betonklötze zu erhalten. Heute erweist es sich, wie recht diese beiden Männer hatten.

Vorübergehender Unterschlupf

Nach dem Sofortprogramm des Bundes, das die Sicherung der vorhandenen Baulichkeiten bezweckt und am 31.12. dieses Jahres ausläuft, wurden bisher in der Stadt die Bunker am Spittler-, Jakobs- und Färbertor sowie Bauhof, am Obstmarkt und in der Wodanstraße so weit hergerichtet, daß sie jetzt schon Passanten vorübergehend Unterschlupf bieten könnten. Außerdem wird zur Zeit am Grübel-Bunker gebaut, und viele Bürger werden auch schon das vertraute "Stilleben" am Königstorturm vermißt haben. Auch dieser wehrhafte Turm soll wie schon vor Jahrhunderten den Bürgern Schutz geben.

Die interessanteste Baustelle im Bunkerprogramm aber bleibt der Öffentlichkeit verborgen: in der Katharinengasse wird seit Monaten "unter Tag" eifrig gehämmert und gebohrt. Dort wird der Tiefbunker – seine Sohle liegt mehr als sechs Meter unter der Erde – zur modernsten Zivilschutzeinrichtung umfrisiert, die es in Nürnberg je gab. Nach dem Willen des Bundes sollen die Bürger nämlich auch im Bunker nicht auf gewisse Annehmlichkeiten verzichten müssen. So werden Spülklosetts, Filteranlagen, Schlafgelegenheiten und dergleichen mehr eingebaut.

Lebensmittel für dreißig Tage

Zwei Aggregate können den Bunker notfalls mit Strom versorgen und das Trinkwasser wird aus einem 123 Meter tiefen Brunnen bezogen. Als er gebohrt wurde, mußte eine 85 Meter dicke Tonschicht durchstoßen werden. Das Abwasser pumpt eine Hebeanlage ins Freie. Doppelte Türen sichern das unterirdische Verlies ab, der Bunkerwart kann über ein Fernauge und einen Fernsehschirm das Geschehen beobachten. Außerdem werden Lebensmittel für dreißig Tage und Medikamente eingelagert.

Bisher wurden rund 1,2 Millionen DM verbaut. Wenn der Bunker Mitte nächsten Jahres fertig ist, können in ihm im "Normalfall" 750, bei Katastrophen 1.100 Personen unterkommen.

Mit der Übergabe der Bunker an die Stadt kommen neue Sorgen auf den ohnehin geplagten Kämmerer zu. "Die Wartung wird uns eine schöne Stange Geld kosten", meint Albert Bleistein. Der Fachmann in Sachen Zivilschutz weiß nur zu genau, daß beispielsweise heute ein einziger Bunkerwart nicht mehr ausreicht. "Da müssen wir schon eine Reihe von Experten, wie Elektriker und Installateure einsetzen". Bleistein ist überzeugt, daß die Stadt später bestimmt untersuchen wird, ob Jugend- oder Jazzclub in die Bunker hineinkönnen.

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