23. Dezember 1967: SPD lehnt Zusammenarbeit ab

23.12.2017, 07:00 Uhr
23. Dezember 1967: SPD lehnt Zusammenarbeit ab

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Er ließ die Frage offen, ob die SPD künftig allein regieren soll oder ob die Freien Demokraten wieder den Wirtschaftsreferenten stellen dürfen, die dieses Amt mit ihrem Parteifreund Prof. Dr. Johann Sebastian Geer seit zehn Jahren besetzt halten. Neun Monate nach ihrem klaren Nein zu einer großen Koalition im Rathaus (damals mit 82 gegen 34 Stimmen) haben die SPD-Delegierten noch einmal zu erkennen gegeben, daß sie die zweitstärkste Fraktion nicht an der Verwaltungsspitze beteiligt sehen wollen.

Der Parteiausschuß mit seinen etwa hundert Mitgliedern war von der SPD-Stadtratsfraktion angerufen worden, weil sie sich nach Beratungen von 25 Stunden Gesamtdauer nicht darüber einig hatte werden können, ob der CSU das Wirtschaftsreferat zufallen soll oder nicht. Den Delegierten lagen drei verschiedene Empfehlungen vor:

CSU im Vordergrund der Debatte

1. Der Parteivorstand im Unterbezirk Nürnberg mit Bürgermeister Franz Haas, Fraktionschef Willy Prölß und MdL Leonhard Heiden an der Spitze setzte sich für die Christlich-Soziale Union als Partner in der Verwaltungsspitze ein.

2. Die Jungsozialisten ersuchten die SPD-Obmänner aus den einzelnen Stadtteilen, alle Referentenposten in der Stadtverwaltung mit Sozialdemokraten zu besetzen.

3. Die Arbeitsgemeinschaft Selbständiger in der SPD schlug in einem Schreiben den Stadtrat und Kaufmann Dr. Hans Herold als Nachfolger von Prof. Geer vor, der Ende Mai in den Ruhestand tritt.

Als der Parteiausschuß um sechs Uhr abends im Karl-Bröger-Keller zusammentrat, stellte Bürgermeister Franz Haas als Parteivorsitzender drei Fragen in folgender Reihenfolge zur Debatte: Soll die SPD den Wirtschaftsreferenten stellen, soll das Amt der FDP oder der CSU offeriert werden? Fraktionschef Willy Prölß drängte als Diskussionsleiter darauf, daß zuerst das Problem einer Zusammenarbeit mit der CSU erörtert wird.

Der Vorstand sah sich alsbald einer Front von Schneider-Gegnern gegenüber, obwohl der Parteiausschuß eigentlich nicht über Kandidaten befinden, sondern nur grundsätzlich über die Zusammenarbeit mit einer anderen Fraktion beschließen sollte. „Im Hintergrund der Debatte stand die Person von Dr. Schneider, denn er schien als Referent ausersehen, wenn die CSU zum Zuge kommt“, erklärte Willy Prölß später.

Die Vorwürfe gegen Dr. Schneider

Die Gegner des CSU-Fraktionschefs in den Reihen der SPD sollen – nach Äußerungen von Bürgermeister Haas und Fraktionschef Prölß – folgende Gründe für ihre ablehnende Haltung geltend gemacht haben: Die Rolle von Dr. Schneider im Oberbürgermeisterwahlkampf 1963, bei dem die Frage der Bezüge aus Nebentätigkeiten (Aufsichtsratsposten) der kommunalen Wahlbeamten von der CSU aufgeworfen worden war. „Man hat manches von früher nicht vergessen“, meinte Haas; Prölß fügte hinzu: „Dr. Schneider wird mit den damaligen Vorgängen sehr stark in Verbindung gebracht.“

Ein weiterer Vorwurf wurde dem Führer der Rathausopposition aus seiner Behauptung bei den Haushaltsberatungen vor drei Wochen gemacht, die Haushaltspolitik der Stadt Nürnberg sei gescheitert. „Unsere Leute meinten, wenn wir uns für Dr. Schneider entscheiden, könnte der Eindruck entstehen, die SPD bräuchte ihn als Nothelfer“, sagte Franz Haas.

Die Mehrheit der SPD-Delegierten scheint auch nicht davon erbaut gewesen zu sein, daß der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer offiziell Dr. Schneider als Wirtschaftsreferenten vorgeschlagen hat.

„Warum legt sich Dr. Fritz Joas für den CSU-Fraktionschef gar so ins Zeug?“, sei die Meinung im Parteiausschuß gewesen. Der IHK-Hauptgeschäftsführer rede der staatlichen Korruption das Wort, wenn er die Beziehungen eines CSU-Mannes zu den Münchner Ministerien herausstreiche. „Die SPD will in der Öffentlichkeit nicht den Eindruck nähren, daß die bayerische Staatsregierung die Stadt Nürnberg benachteiligt, weil sie von Sozialdemokraten regiert wird“, interpretierte der Bürgermeister die Ansicht einiger Diskussionsredner.

Die Abstimmung fiel so aus, wie es nach der Debatte nicht anders zu erwarten gewesen war. 45 Delegierte sprachen sich gegen, immerhin 37 dafür aus, daß der CSU der Posten des Wirtschaftsreferenten angeboten wird. Der Rathausoppositon bleibt der einzige Trost, daß die Entscheidung knapper gegen sie ausgefallen ist als vor einem Dreivierteljahr der SPD-Beschluß gegen eine große Koalition im Rathaus.

Nach der langen Diskussion waren die Delegierten nicht bereit, sich in den anderen Punkten festzulegen. Sie wollten sich nicht mehr zu der Frage äußern, ob die SPD alle Referentenposten in der Stadtverwaltung selbst besetzen soll. Damit wurde der Fraktion zunächst freie Hand zu Verhandlungen mit der FDP gelassen.Der Parteiausschuß will am 1. Februar erneut zusammentreten, um endgültig zu bestimmen, ob die Sozialdemokraten allein oder auch künftig mit den Freien Demokraten in Nürnberg regieren werden.

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