23. Juni 1968: Schloßherren für drei Wochen

23.6.2018, 07:00 Uhr
23. Juni 1968: Schloßherren für drei Wochen

© Ulrich

Von den hochherrschaftlichen Hallen, wo früher Ritter, Grafen und Barone residierten, haben seit einem Jahr die Schüler der rund 700 mittelfränkischen Volksschulen Besitz ergriffen. Ermöglicht wird dieser Aufenthalt von dem Schullandheimwerk, das jetzt wieder mit einer Sammelliste an alle Eltern und Verwandten herantritt, damit auch weiterhin diese "Schulferien" finanziert werden können.

Noch bis 26. Juni wird in den 99 Nürnberger Volks- und Sonderschulen für den Ausbau der insgesamt drei mittelfränkischen Schullandheime geworben. Es ist die einzige Sammlung, die voll und ganz der Schule und den Schülern selbst zugute kommt. Alle Buben und Mädchen der 5. bis 8. Klassen haben die Möglichkeit, in den Heimen einen mehrwöchigen Aufenthalt zu erleben. In den großen Ferien stehen die Pforten erholungsbedürftigen Kindern offen.

23. Juni 1968: Schloßherren für drei Wochen

© Ulrich

Erst im letzten Jahr wurde Schloß Obersteinbach von Baron von Grafenstein erworben. Nach umfangreichen Renovierungsarbeiten kann es nun über 80 Schüler aufnehmen. Zur Zeit beherbergt es die 8. Klasse der Bismarckschule und eine 7. Klasse aus Ansbach. Obwohl die "Tagesordnung" auch Schulunterricht vorsieht, versteht es Oberlehrer Hans Sulley, aus der Arbeit ein Vergnügen zu machen.

Lehrplangemäße Anknüpfungspunkte läßt er seine Zöglinge nicht in den Büchern, sondern in der freien Natur finden. Vom Hochsitz aus dürfen die Knaben abends das Wild beobachten; an einer Baugrube verfolgen sie geologische Formationen und in den Gemeinderatssitzungen erleben sie lebendige Sozialkunde. Anhand der Schloßchronik wird ihnen die Geschichte der Bauernkriege und der Reformation nahegebracht.

Die langjährige Geschichte, die bis ins Jahr 1102 zurückreicht, bietet den Buben ein kriminalistisches "Schmankerl": 1727 wurde Luise von Lentersheim auf Geheiß ihres Schwiegersohnes von einem Diener meuchlings ermordet. Diese Tat wurde verübt, während alle Obersteinbacher der Predigt in der Kirche lauschten.

Neben Spiel und Unterricht arbeiten die Heimbewohner auch für ihr Ferienhaus. In der Schreinerwerkstatt fertigen sie unter Anleitung Parkbänke; außerdem beschilderten sie während ihres bisher zehntägigen Aufenthaltes drei Wanderwege, die Oberlehrer Sulley "ausgetüftelt" hat. Ansonsten stehen Fußballspiele, Volkstänze und Musikabende auf dem Tagesprogramm, das die Knaben weitgehend selbst bestimmen.

In naher Zukunft wird das Schullandheim noch attraktiver werden. Anstelle einer alten Scheune, die abgerissen wird, soll eine Sporthalle mit einem Lehrschwimmbecken entstehen. Wie der Vorsitzende des Schullandheimwerkes, Wilhelm Kleiß aus Nürnberg, dazu mitteilte, will man dieses Projekt auch auf die übrigen Heime ausdehnen.

Ob diese Pläne aber verwirklicht werden können, hängt hauptsächlich von dem Ergebnis der Sammlung ab, auf die das Werk völlig angewiesen ist. Erstmals in diesem Jahr beteiligen sich auch die städtischen Oberschulen an dem Spendenaufruf. Sie wollen mit dem gestifteten Betrag den Wunsch nach einem eigenen Schulheim, möglichst in den Bergen, verwirklichen.

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