24. Januar 1967: Meister „entliehen“

24.1.2017, 07:00 Uhr
Das rechte Portal: Alexander mit einem Panther oder Leoparden mit vier Köpfen und Flügeln (links) und Julius Caesar, dessen Tier nach der Sage als Wolf zu deuten is

© NN Das rechte Portal: Alexander mit einem Panther oder Leoparden mit vier Köpfen und Flügeln (links) und Julius Caesar, dessen Tier nach der Sage als Wolf zu deuten is

Leonhard Kern (1585 -1662) stammte aus einer Bildhauerfamilie, die in Forchtenberg in Württemberg ansässig war. Dr. Gertrud Gradmann gab in einer kunstgeschichtlichen Arbeit „Die Monumentalwerke der Bildhauerfamilie Kern“ (1917) auch einen biographischen Abriß der gesamten Künstlerfamilie über mehr als einhundert Jahre hinweg.

Außer den Portalarbeiten am Nürnberger Rathaus, deren Originale heute im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg aufbewahrt sind, schuf Leonhard Kern größere Monumentalwerke, Reliefs und anderes, die sich in Frankfurt, Schwäbisch Hall, München, Würzburg, Berlin befinden. Kleinplastische Arbeiten besonders aus Elfenbein gingen in zahlreiche Städte Deutschlands, aber auch bis nach Holland und Spanien. „Elfenbeinarbeiten von Leonhard Kern haben sich in großer Zahl erhalten; fast in jedem deutschen Museum findet man solche.“

Dann kam es zum großen „Wurf“ Uns interessiert hier jetzt nur die „Jubiläumsarbeit“ an den Portalen des Alten Rathauses in Nürnberg nach dem Erbauer auch Wolffsches Rathaus genannt. Nachdem der Bildhauermeister Leonhard Kern auf fünfjähriger Wanderschaft durch Italien (Akademien von Rom und Neapel) – mit starken Anregungen durch Arbeiten Michelangelos –, Dalamtien, Slavonien und Steiermark zur erforderlichen Reife gelangt war, kam es zu seinem großen „Wurf“ in Nürnberg.

Die Idee zu jenen Kolossalbildern tauchte am 3. April 1617 auf. Niemand, der sich für die Kunstschätze Nürnbergs interessiert, wird es unterlassen, sich in jene künstlerischen Gestalten zu vertiefen. Sie wurden erst in den letzten Jahren restauriert. Für die Schilderung und Deutung jener „mythischen“ Monumentalwerke lassen wir uns durch die alte Chronik von Prof. Dr. Johann Friedrich Siebenkees aus dem Jahre 1794 „Materialien zur Nürnbergischen Geschichte“ leiten, die Ernst Mummenhof 1891 in seinem Buch „Das Rathaus in Nürnberg“ in der Sprache unserer Zeit wiedergegeben hat. Es heißt dort unter anderem:

Vermutlich als Wolf zu deuten …

„Es fertigte die Kolossalbilder der vier Repräsentanten der vier Weltreiche: ... in liegender Stellung der Gründer des ersten Weltreiches Ninus mit dem zweiflügeligen Löwen als Symbol der beiden Hauptreiche Assyrien und Babylonien, die er unter seinem Scepter vereinigte, auf der rechten Seite Cyrus als Gründer des persischen Weltreiches mit dem Bär als Attribut ... Den beiden Figuren über dem oberen Portal entsprechen die auf dem unteren, die Repräsentanten des Mazedonischen und Römischen Weltreiches, Alexander der Große und Julius Caesar …

Das Alexander beigegebene Tier, ein Panther oder Leopard mit vier Köpfen und vier Flügeln, soll die Länder vorstellen, aus denen sich dieses Weltreich zusammensetzte, und in die es wieder zerfiel, Griechenland , Asien, Syrien und Ägypten. Das Römische Reich endlich ist versinnbildet durch Julius Caesar, dessen Tier nach Gestalt und Sage wohl als Wolf zu deuten ist. Die zehn Hörner, die seinem Haupt entwachsen, bedeuten nach einer gleichzeitigen Interpretation die aus dem Römischen Weltreich hervorgegangenen Reiche …

Es dürfte keinem Zweifel unterliegen, daß der Bildhauer Kern und seine Auftraggeber für jene Arbeit sich die Vision aus dem Prophetenbuch Daniel im Alten Testament zur Vorlage nahmen, benutzte Kern doch auch bei andern seiner großen Arbeiten Gestalten und Ereignisse aus dem Alten Testament (Hesekiel, Sintflut).

Im siebenten Kapitel des genannten Danielbuches finden wir jene Schilderung vor mehr als zweitausend Jahren, zu deren Erklärung die Stuttgarter Jubiläumsbibel und andere Ausleger bemerken, daß es sich bei dem Löwen um Babylon und bei dem Bären um Medien-Persien handelt, während der Leopard auf Griechenland und das vierte Tier auf das antike Rom hindeuten. Aus diesem vierten Tier bzw. Rom entstanden, den zehn Hörnern entsprechend, infolge der Auflösung des Weltreiches Rom in den Stürmen der Völkerwanderung Staaten, die man mit einiger Mühe bis in die Gegenwart erkennen kann.

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