27. Dezember 1968: Doch noch „weiße Weihnacht“

27.12.2018, 07:00 Uhr
27. Dezember 1968: Doch noch „weiße Weihnacht“

© Kammler

Nach Wochen des Hastens und Hetzens stellte sich die große Ruhe ein, die Besinnung auf den Sinn der stillen Heiligen Nacht. Wie alle Jahre wieder arbeiteten die einen bis zur letzten Minute, ehe die Kerzen zu brennen begannen, freuten sich die anderen stundenlang, bis das Christkind das Glöckchen erklingen ließ. Die Großen mußten bis zur letzten Minute alle Kraft zusammennehmen, um für die Feiertage zu rüsten, die Kleinen mußten – viel zu lange für ihre Begriffe – der Bescherung entgegenfiebern. Dann aber ist es soweit, dann ist Heiligabend da.

Das grelle Licht in den mehr oder weniger hohen Häusern der Stadt legt sich einen milden Glanz zu, so daß jeder ahnen kann: hier ersetzen Wachskerzen das elektrische Licht. Und die Nachbarn hüben und drüben werden teilhaftig, wie das Übungsrepertoire am Klavier, auf der Violine oder an der Blockflöte, das sie wochenlang vernommen hatten, festlichen Klang annimmt. Die Familien sind vereint um den Christbaum und die Krippe, singen die alten Weisen von der fröhlichen seligen Weihnachtszeit.

Dennoch gönnt sich die Stadt kaum Ruhe. Während die einen schon feiern, sind die andern noch immer unterwegs in ihren Wagen zu Verwandten und Bekannten. Die Päckchen sind diesmal größer und fülliger als noch vor einem Jahr, denn wieder steht eine Wohlstands-Weihnacht ins Haus. Was sich hinter buntem Papier verbirgt, wird bald die Gabentische zieren: Pelze und Schmuck, Riesenrennbahnen und Superpuppen. Es dauert lange, bis auch auf den Straßen der Friede einkehrt. Und er währt nur eine kurze Weile, weil alsbald die Menschen zu den Christvespern und Christmetten aufbrechen, die heuer mehr denn je die Gotteshäuser schier zum Bersten bringen.

Trotzdem: die Weihnacht 1968 hat ihr eigenes Gepräge. Selbst Menschen, die am Heiligen Abend nur das Geläut der Glocken, nur die Gesänge der Chöre vernehmen wollen, schalten wieder und wieder das Fernsehgerät an. Der Mann im Mond, für ganze Generationen eine Märchenfigur, ist ein Stück Wirklichkeit geworden. Die drei Männer in der amerikanischen Raumkapsel, die gut 100 Kilometer um den Erdtrabanten kreisen, ziehen die Nürnberger wie die Menschen in aller Welt in ihren Bann und lassen das Geschehen von Bethlehem vor nahezu 2000 Jahren wie ein fernes Wunder erscheinen.

Die Kinder aber bleiben mit ihren Geschenken dieser Erde mit all ihren Fehlern und Schwächen verhaftet. Sie setzen gleich nach der Bescherung die Puzzlespiele zusammen, die Waschmaschine in Gang, die Eisenbahn auf die Schienen und das Raumschiff in Bewegung. Die Freude wird vollkommen, als sich nicht nur draußen die nagelneuen Skier und Schlittschuhe ausprobieren lassen, sondern auch ein kräftiges Maß an Kälte die fabrikfrischen Pullover und Skihosen zur Premiere lädt.

So dürfen die Nürnberger auf ein rundes, ruhiges Weihnachtsfest zurückblicken Selbst die Polizei hat keine schlechten Erfahrungen machen müssen, denn auch die Spitzbuben blieben brav.

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