3. Mai 1968: „Demonstrationen ohne Gewalt“

3.5.2018, 07:00 Uhr
3. Mai 1968: „Demonstrationen ohne Gewalt“

© Ulrich

8.000 Arbeiter, Angestellte und Beamte demonstrierten unter dem Leitwort „Starke Gewerkschaften – Deine Sicherheit" insbesondere für mehr Mitbestimmung und gegen die Notstandsgesetze. Mit den deutschen Arbeitnehmern formierten sich Griechen und Spanier gegen die in ihrer Heimat herrschende Diktatur. Die außerparlamentarische Oppostion der Jugend, die sich den Gewerkschaftern angeschlossen und für Bürgermeister Franz Haas nur Sprechchöre und Zwischenrufe übrig hatte, fand Verständnis, wenn sie sich auch manches klare Wort sagen lassen mußte.

Bereits vor der Kundgebung waren vom Maffeiplatz und von der Veit-Stoß-Anlage aus, DGB-Angehörige mit Transparenten und Fahnen durch die Stadt zum Hauptmarkt gezogen.

Noch während ÖTV-Vorsitzender Karl Trapp die Prominenz begrüßte, gab es die ersten Pfiffe. Sie galten Bundesgesundheitsministerin Käte Strobel. „Heute ist der 1. Mai, Haas wo bleibt die Polizei“ oder „Haas runter vom Podest, heute ist kein Notstandsfest“, so tönte es dem Bürgermeister entgegen, als er den Gruß der Stadt übermittelte. In seiner Person erblickten die Mitglieder des Republikanischen Clubs den Verantwortlichen für das „Parteiordnungsverfahren“ gegen vier Sozialdemokraten und für den Polizeieinsatz bei einer Kundgebung am 26. März.

Franz Haas, der schon manchen Sturm erlebt hat, ließ sich kaum beeindrucken. Er wußte viele Freunde hinter sich und meinte: „Ich war auch einmal jung und habe geschrien!“ Später versicherte er Journalisten: „Die Jugendlichen wenden sich an den falschen Mann. Die Zwischenrufe stören mich nicht. Das alles tut nicht weh."

Die Gesetzeshüter, deren Einschreiten dem Bürgermeister angekreidet wurde, bekamen anschließend vom DGB-Kreisvorsitzenden Walter Ranzenberger Lob gespendet. „Die Beamten haben bewiesen, daß sie auch in schwierigen Situationen unter der oft strapazierten ‚Verhältnismäßigkeit in der Anwendung der Mittel‘ bleiben.“ Mit einem Hieb auf die Verstaatlichungsabsichten der kommunalen Polizei fuhr der Hauptredner fort: „Unsere Polizei läßt sich auch künftig nicht zum Mittel restaurativer Kräfte unter der Kommandogewalt des Innenministers degradieren!“

Der Jugend und gerade der Studentenschaft billigte Ranzenberger den Protest in Hörsälen und auf Straßen zu, um ihre Vorstellungen von der Hochschulreform durchzusetzen. Der Gewerkschaftsvorsitzende zeigte aber auch die Grenze: „Dort, wo politische Auseinandersetzung in Gewalt umschlägt. Pflastersteine sind ebensowenig politische Argumente wie auf der anderen Seite der Gummiknüppel.“

Erst, nachdem er so für Klarheit gesorgt hatte, trug Ranzenberger die DGB-Forderungen vor, voran die Ausweitung der Mitbestimmung, nicht mit dem Ziel, Unternehmer zu enteignen, sondern zu dem Zweck, ihre Verfügungsgewalt über Produktionsmittel und damit über Menschen so einzuschränken, daß auch die Arbeit der Betroffenen gleichberechtigt wird.

Häufig von Beifall unterbrochen, wiederholte er das Nein des DGB zu den Notstandsgesetzen, beschuldigte den Springer-Konzern der Meinungsmanipulation, forderte er die Herabsetzung des Rentenalters auf 60 Jahre, wirksamen Rationalisierungsschutz und das Verbot der Nationaldemokratischen Partei.

Nach der Kundgebung wurde bei der „2. Versammlung der arbeitenden Bevölkerung und der Schüler und Studenten der Nürnberger außerparlamentarischen Opposition“ der Vorschlag gemacht, arbeitende Bevölkerung und kritische Studentenschaft müßten sich im Interesse einer Demokratisierung in Betrieb, Schule und Gesellschaft zusammenfinden. Die Arbeitnehmervertreter werden aufgefordert, mit der außerparlamentarischen Opposition zusammenzuarbeiten und Versuchen zu wehren, Arbeiter und kritische Jugend zu trennen.

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