6. August 1968: Ferien ohne Fernweh

6.8.2018, 07:00 Uhr
6. August 1968: Ferien ohne Fernweh

© Kammler

Nicht alle Großstädter streben in den Urlaubswochen in die Ferne; sie freuen sich, wenn sie ihre „Ferien vom Ich“ daheim verbringen können. Dabei sind die passionierten KIeingärtner am glücklichsten dran: sie lassen die Adria Adria sein und ziehen sich in ihre „grünen Wohnstuben“ zurück. Hier läßt sich‘s ruhig, beschaulich und vor allem weniger kostspielig rasten. Paradebeispiel ist die Familie des Schlossers Georg, der seit Jahren sein „Eiland“ in der Kolonie Königshof an der Saarbrückener Straße höher schätzt als Reisen, fremde Menschen und ungewohnte Küche. Mit Ehefrau Cornelia, Tochter Karin und den Söhnen Jürgen und Thomas zieht er zur Ferienzeit aus der angestammten 4-Zimmer-Wohnung in sein nur 16 Quadratmeter fassendes Wochenendhäuschen um und läßt sich nicht hören und sehen. „Der Kleingärtner findet immer Arbeit, die ihm zum Hobby geworden ist“, sagt der Familienvater und mäht mit lachendem Gesicht den Rasen in seinem 300 Quadratmeter großen Grundstück. Wenn er keine Lust mehr hat, hört er mit Werkeln auf, denn er ist ja Urlauber. Und dennoch sieht sein Gärtla aus, als ob er es täglich von früh bis abends pflegt.

6. August 1968: Ferien ohne Fernweh

© Kammler

Freilich: auch die Kinder helfen mit, wenn sie nicht gerade im Mini-Swimmingpool planschen, Federball spielen oder im Sand Burgen bauen. Sobald es dunkel wird, sinken sie erschöpft in die dreistöckigen Betten, um am nächsten Morgen erneut herumzutollen. Wege und Spielplätze zwischen den Kolonien bieten sich geradezu an. Nur rund hundert Mark im Jahr (Pacht, Wassergeld und Verbandsgebühr) sind von den 486 Kleingärtnern zu erübrigen, um dieses Dorado erleben und genießen zu können.

Vom „Hungerbrunnen“ wie das sandige und steinige Gebiet einst hieß, ist keine Rede mehr; das schöne Stück Land wurde kultiviert und hat getreue Besitzer. Die meisten – auch in anderen Kolonien – machen sich‘s hier in ihren wohlverdienten Ferien bequem und erholen sich vom hektischen Alltagsgetriebe. „Wer das will und seinen individuellen Wunsch verwirklicht, ist eben ein Freund der Natur an seinem angestammten Platz!“ Das sagt Bezirksvorstand Georg, seit 1942 schon im „Königshof“ seßhaft. Er versieht sein Amt seit Mitte Mai. kommissarisch. Nach getaner „Ferienarbeit“ wird auf besondere Art gerastet: beim Lampionlicht und leiser Radiomusik kommen die Gleichgesinnten zusammen. Aus den Gärten duften auch nachts die Sommerblumen.

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