6. Juni 1967: "Schickt uns Kinder!"

6.6.2017, 06:00 Uhr
6. Juni 1967:

© NN

Die Bevölkerung ist zwar nicht unmittelbar davon betroffen, aber am Arbeitsplatz, in den Gaststätten und in der Straßenbahn werden die Geschehnisse leidenschaftlich diskutiert. Den Zeitungsverkäufern wurde die Sonderausgabe der Nürnberger Nachrichten, die am frühen Nachmittag herauskam, aus der Hand gerissen. Auf acht Seiten war in Text und Bild ausführlich das aktuelle Material den Lesern dargeboten worden. Viele Menschen erfuhren erst auf diese Weise von den Ereignissen, weil sie sich schon am Arbeitsplatz befunden hatten, als die ersten Meldungen über den Rundfunk verbreitet wurden.

6. Juni 1967:

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Inzwischen haben zahlreiche Nürnberger Israel ihre Sympathie bekundet: viele boten ihre Hilfe an. Paul Baruch, der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde, sieht dadurch seine Meinung bestätigt, daß der überwiegende Teil der Bevölkerung demokratisch gesinnt ist.

"Es ist wirklich großartig, wie spontan uns die Bürger, ob alt oder jung, ihre Unterstützung zusagten. Das Telephon läutete von früh bis spät unaufhörlich. Die Anrufer erklärten sich bereit, in Israel bei der Ernte zu helfen. Andere wiederum wollen israelische Kinder bei sich aufnehmen. Vor allem jüngere Leute sind sogar gewillt, bei unserem Militär zu dienen", sagte dankbar Paul Baruch. Nürnberg, das durch den geplanten Abbruch der Säulengalerie am Zeppelinfeld und durch den in letzter Minute verhinderten NPD-Parteitag Aufsehen erregte, beweise dadurch erneut sein Verständnis für Israel.

Neben der tätigen Hilfe haben die Bürger heute abend um 20 Uhr Gelegenheit, Israel moralisch zu unterstützen. Die Evangelische Jugend, die Gewerkschaftsjugend und die Katholische Jugend veranstalten im CVJM-Haus am Kornmarkt eine Solidaritätskundgebung, bei der die Landtagsabgeordnete Lieselotte Seibel (SPD) und Jugendpfarrer Reinhard von Loewenich über die Situation im Nahen Osten sprechen.

In dem Aufruf zur Kundgebung heißt es: "Seit Montagvormittag wird an Israels Grenzen geschossen. Israel kämpft um seine Existenz. Die Araber lassen keine Zweifel an ihrer jahrelangen Drohung, den jungen Staat von der Landkarte zu streichen. Das alles kann uns Deutsche nicht gleichgültig lassen. Die Entstehung des Staates Israel ist untrennbar verbunden mit den Verbrechen am jüdischen Volk in der NS-Zeit. Israel ist zur letzten Heimat vieler Menschen geworden, die den Vernichtungslagern in Europa entronnen sind".

Die in Nürnberg lebenden Ägypter hielten sich in ihren Äußerungen sehr zurück. Sie befürchten Repressalien für ihre Familienangehörigen in der Heimat, wenn sie über die ägyptischen Verhältnisse sprechen. Trotzdem bekannten sie offen, daß ihnen dieser Krieg ganz und gar nicht gefällt. "Diese dickköpfigen Araber", wurden die Landsleute kritisiert.

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