7. Juli 1968: Drei Tage Haft für Kabarettist Blome

7.7.2018, 08:08 Uhr
7. Juli 1968: Drei Tage Haft für Kabarettist Blome

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Blome, dem am Montag von Amtsgerichtsrat Dr. Meier wegen Ungebühr vor Gericht eine Ordnungsstrafe von einem Tag zudiktiert worden war, die er sofort verbüßen mußte, wurde diesmal zur höchstzulässigen Ordnungsstrafe von drei Tagen Haft verurteilt und zur sofortigen Verbüßung von der Polizei abgeführt.

Auch diese Ordnungsstrafe wurde verhängt, weil sich Blome trotz Aufforderung durch den Richter geweigert hatte, von der Anklagebank aufzustehen. Die Situation hatte sich nur dadurch unterschieden, daß die Weigerung Blomes diesmal nicht beim Erscheinen des Richters im Gerichtssaal erfolgte, so wie es am Montag der Fall gewesen war. Einer derartigen Ungebühr konnte er sich gestern gar nicht schuldig machen, weil der Richter schon im Gerichtssaal saß, als der Fall Blome aufgerufen wurde. Die Ungebühr wurde diesmal darin erblickt, daß Blome sich nicht zur Vernehmung auf die Beine stellte.

Bevor die neuerliche Ordnungsstrafe ausgesprochen wurde, hatte es bereits mehrere unerfreuliche Szenen gegeben, die das Debakel schon ahnen ließen. Blome, der sich gestern auf Frage nach seinem Beruf als Händler bezeichnete – Richter: „Womit handeln Sie?", Blome: „Mit antiquierten Grundgesetzen! –, hatte es sofort bemängelt, daß seine Anhänger, die den Gerichtskorridor bevölkerten, keinen Platz im Sitzungssaal finden konnten.

„Der Richter Meier"

An der Türe des Saales, in dem an diesem Vormittag bereits mehrere Verhandlungen stattgefunden hatten, hing ein Schild: „Wegen Überfüllung geschlossen". Die Zuhörerbänke waren von einer der Schulklassen besetzt, die von Zeit zu Zeit von den Lehrkräften zur Erlangung staatsbürgerlicher Grundrechte ins Gerichtsgebäude geführt werden. Blome argwohnte, daß es sich um Absicht handelte und wollte die Verhandlung gerne in einen größeren Saal verlegt haben. Der Wunsch wurde ihm jedoch nicht erfüllt.

Wegen des Nichtaufstehens hatte der Richter um diese Zeit noch keine Ordnungsstrafe verhängt. In der zutreffenden Annahme, daß Blome noch mehrere Gründe liefern werde, versuchte er zunächst, die Verhandlung weiterzuführen. Nach etwa zwanzig Minuten aber war seine Geduld erschöpft.

Blome stellte während dieser Zeit eine Reihe von Anträgen, die alle wegen „Zweckfremdheit" vom Richter zurückgewiesen wurden. So wollte Blome zum Beispiel haben, daß sich sein Verteidiger an den Richtertisch setzen dürfe, um sich mit dem Staatsanwalt auf gleicher Ebene zu befinden. Erfüllt wurde ihm der Wunsch, sich auf die äußerste Ecke der Anklagebank setzen zu dürfen, um nicht sehen zu müssen, wie direkt über dem Kopf des Richters an der Wand das dort angebrachte Kruzifix emporragte.

Im offensichtlichen Bemühen um Originalität redete Blome den Amtsgerichtsrat Dr. Meier mit „Richter Meier“ an und scheute auch nicht davor zurück, ihn als „muffig“ zu bezeichnen. Er heimste auf diese Weise mehrere Vormerkungen für Ordnungsstrafen ein, die aber nicht ausgesprochen wurden. Die Bombe platzte erst, als sich Blome zu den „95 Thesen“ äußerte, die er am letzten Reformationsfest zum Ärgernis der Kirchen angeschlagen hatte.

Während seine Anhänger auf dem Gerichtskorridor einen Sprechchor anstimmten, aber sofort von einem Gerichtswachtmeister energisch zum Schweigen gebracht wurden, begann Blome damit, zu denjenigen „Thesen“ Stellung zu nehmen, die vom Staatsanwalt beanstandet werden. Er behauptete, daß es sich um eine innerkirchliche Kritik gehandelt habe, an der auch ein fränkischer Theologe beteiligt gewesen sei. Die schockierende „These“, daß auch in jeder Bedürfnisanstalt ein Kruzifix vom Staat angebracht werden müßte, wollte Blome als eine satirische Aufforderung verstanden wissen, nachdem der Staat „unberechtigterweise“ auch in anderen Anstalten, wie Gerichtsgebäuden usw. Kruzifixe anbringe.

Der Richter hörte sich noch Blomes Erklärung zu einer anderen, auf den Geschlechtsverkehr abzielenden „These“ an, dann aber hatte er genug. Mit der Begründung, daß der Angeklagte Gelegenheit gehabt habe, sich über den mit den „Thesen“ beabsichtigten Zweck zu äußern, entzog er ihm für eine Stellungnahme zu den weiteren unter Anklage gestellten Punkten das Wort. Blome verließ daraufhin unter Protest den Gerichtssaal, wurde aber auf Geheiß des Richters vom Gerichtswachtmeister wieder zurückgeholt und nun zu drei Tagen Ordnungsstrafe verurteilt, weil er zu Beginn der Sitzung trotz Aufforderung nicht aufgestanden war. 

Der Verteidiger Blomes, Rechtsanwalt Wolfgang Vetter, erklärte nach der bis Mittwoch unterbrochenen Verhandlung, daß er im Auftrag Blomes einen Ablehnungsantrag gegen den Richter wegen Befangenheit stellen werde. Die Ordnungsstrafen will er durch Beschwerde zum Oberlandesgericht anfechten. Er vertritt die Auffassung, daß keine richterliche Handhabe gegeben sei, mit der ein Angeklagter gezwungen werden könne, während seiner Vernehmung vor Gericht zu stehen. Wenn die Beschwerdeinstanz gegenteiliger Auffassung sein sollte, wird er das Verfassungsgericht um eine Entscheidung anrufen.

So unerfreulich der „Prozeß Blome“ aus vielerlei Sicht auch sein mag, würde auf diese Weise endlich Klarheit in der Frage geschaffen, ob ein Angeklagter auf Weisung des Richters zu seiner Vernehmung aufstehen muß. Eine Frage, über die man auch In Richterkreisen geteilter Meinung ist.

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