AC/DC in Nürnberg: Höllenglocken auf dem Zeppelinfeld

8.5.2015, 06:41 Uhr
Ja, auch die Legende war schon hier: Bon Scott, der viel zu früh verstorbene Sänger, 1979 auf dem Zeppelinfeld in Nürnberg.

© NZ Ja, auch die Legende war schon hier: Bon Scott, der viel zu früh verstorbene Sänger, 1979 auf dem Zeppelinfeld in Nürnberg.

AC/DC kommen, und die Fans in Deutschland sind elektrisiert. Nur eine Stunde nach Vorverkaufsbeginn waren bereits 325.000 Tickets für die aktuelle "Rock or Bust"-Tour verkauft - und die startet kommenden Freitag in Nürnberg.

Angus Young und Kollegen in Franken - das zog schon immer, wenn auch anfangs in etwas kleineren Dimensionen. In den 70er Jahren rockten sie noch die Hemmerleinhalle in Neunkirchen am Brand. 1976 waren sie im Vorprogramm von Ritchie Blackmore’s Rainbow im alten Nürnberger Messezentrum zu hören, ebenso 1977 zusammen mit Black Sabbath.

Oder in der Stadthalle Erlangen, 1977, natürlich mit dem legendären Bon Scott am Mikro, der 1980 in London starb. Später pilgerten die Fans in die Frankenhalle, zum Zeppelinfeld oder ins Frankenstadion, um die Gitarrengötter aus Down Under live zu erleben. 1984 waren AC/DC Headliner bei „Monsters Of Rock“, 2001 spielten sie zusammen mit den Toten Hosen im Frankenstadion.

Nun sind die Helden im Rahmen ihrer aktuellen „Rock or Bust“-Welttournee wieder zurück in Nürnberg. Nicht mit dabei sein wird allerdings Malcolm Young (61). Der Rhythmus-Gitarrist (der auf der Bühne immer hinten links stand) leidet nach einem Schlaganfall an Demenz und lebt inzwischen in einem Pflegeheim in Sydney. Seinen Posten übernimmt sein Neffe Stevie Young, der in der Vergangenheit schon einmal bei AC/DC ausgeholfen hat. Auch Phil Rudd an den Drums wird fehlen: Erst im April bekannte er sich schuldig, einem Geschäftspartner vergangenes Jahr mit Mord gedroht zu haben zu haben, er wartet derzeit auf sein Gerichtsurteil.

Beim Coachella Festival in Kalifornien traten AC/DC im April gleich zwei Mal auf, jetzt steht Europa an. Am Dienstag waren sie in Arnheim (NL)  zu Gast, am heutigen Freitag steigt die große Party in Nürnberg. Welche Songs über das Zeppelinfeld dröhnen werden? Schau'n wir doch mal auf die aktuelle Setlist: Die war bei den bei den April-Konzerten in Übersee, das dürfte die Fans in Franken freuen, vollgepackt mit folgenden Klassikern...

Setlist: Hell Ain't a Bad Place to Be, Shot Down in Flames, Back in Black, Rock or Bust, Shoot to Thrill, Dirty Deeds Done Dirt Cheap, Thunderstruck, Play Ball, High Voltage, Hells Bells, Baptism by Fire, You Shook Me All Night Long, Have a Drink on Me, Sin City, T.N.T., Rock 'n' Roll Train, Whole Lotta Rosie, Let There Be Rock

Zugabe: Highway to Hell, For Those About to Rock (We Salute You)

Vorsicht, Rarität: Ein Super 8 Film von 1979, AC/DC auf dem Zeppelinfeld (leider ohne Ton)

 

Für alle, die am 2. Juli 2001 dabei waren: Unser damaliger Bericht (von Stefan Mössler-Rademacher) über den umjubelten Gig im Frankenstadion.

Über 40 000 Fans drängen sich bei idealem Open-Air-Wetter ins Frankenstadion. Unter zwei überdimensionalen Angus-Young-Mützen mit Teufelshörnern dürfen vor dem Auftritt der Altrocker schon mal die "Toten Hosen" und "The Black Crowes" die Stimmung anheizen. Deutscher Punkrock-Spaß und Südstaaten-Hippie-Rock dient aber lediglich zur Überbrückung der Wartezeit. Denn eigentlich wird nur dem Auftritt von "AC/DC" entgegengefiebert. Dafür hat manch solider Familienvater seine alte Biker-Jacke hervorgekramt, und Frauen um die Vierzig streifen nach vielen Jahren das Souvenir-Shirt vom "Monsters-of-Rock"-Festival nochmals über. Was kümmern da zwei Bands, die ansonsten für sich genommen schon eine Konzert-Attraktion wären . . .

Das geduldige Ausharren lohnt sich. "AC/DC" zaubert eine fulminante Show ins Frankenstadion, die mit viel Gespür extra für große Arenen entworfen wurde. Selbst wer auf den Rängen sitzt und nicht im Stadion-Innenraum einen der begehrten Stehplätze ergattern konnte, hat das Gefühl mittendrin statt nur dabei zu sein.

Wichtigstes Element ist der lange Laufsteg durch die wogende Fan-Menge. Hier toben sich Sänger Brian Johnson und Angus Young aus, während der Rest der Band stoisch die Songs in die Länge zieht. Es ist schon beeindruckend, wenn Angus Young beim Endlos-Solo die Gitarre zum Dirigentenstab umfunktioniert und jede Bewegung des Publikums steuern kann. So und nicht anders funktioniert das Stadionrock-Feeling!

Zu hören gibt's einen Hit-Streifzug mit Mitgröhlgarantie, absolutem Balladenverbot und vielen Effekten: Bei "Hells Bells" wird eine große Glocke bearbeitet, zu "Highway to Hell" schießen Feuersäulen in die Höhe, "Whole Lotta Rosie" tanzt als meterhohe Gummipuppe, und wenn der Zugabenblock mit "TNT" startet, werden Kanonen in Stellung gebracht. Selbst das finale Feuerwerk darf nicht fehlen. "Bad Boy Boogie" - eine unterhaltsame Show von bösen Buben für böse Buben. Dabei hat jeder Mann seinen Spaß - aber auch jede Frau. Schließlich ist der ganze Rock-Hokuspokus so überdreht in Szene gesetzt, dass niemand beleidigt sein kann. Hardrock-Lausbuben genießen eben selbst im fortgeschrittenen Alter noch Narrenfreiheit!

Stagedivender Gitarrengott auf dem Zeppelinfeld: Angus Young reitet samt Gitarre über seine Fans.

Stagedivender Gitarrengott auf dem Zeppelinfeld: Angus Young reitet samt Gitarre über seine Fans. © Reinhard Kemmether

 

Und hier noch unser Bericht zum Konzert in der Frankenhalle am 31. März 1991 von Andreas Becker


Ein richtiger Rocker steht auch an seinem Geburtstag auf der Bühne. Und nicht nur das. Angus Young, Gitarrist der australischen Hard-Rocker "AC/DC" und ewiger Lausbub, gibt sich an seinem Feiertag die Ehre und läßt zu vorgerückter Stunde vor ein paar tausend Fans in der Nürnberger Frankenhalle die kurzen Hosen runter. Ein Striptease, den der schmächtige Gitarrist bei jedem Auftritt genüßlich zelebriert und der in früheren Zeiten mit einem Blick auf das berühmteste Hinterteil Australiens endete. Doch das ist vorbei. Während der aktuellen Tournee trägt Angus einen schwarz-rot-goldenen Liebestöter. - Nicht gerade der Stoff, aus dem das sorgsam gepflegte Bad-Boy-Image geschneidert wird.

Doch das ist den Fans in der seit langem ausverkauften Frankenhalle egal. Wer trotzdem kurzfristig dabeisein wollte, mußte bei Schwarzmarktpreisen von über hundert Mark pro Karte tief in die Tasche greifen, bekam dafür aber auch einiges geboten. Über zwei Stunden dauerte die rockige Geburtstagsfeier, zelebrierten "AC/DC" eine spektakuläre Show mit aufwendiger Bühnenbeleuchtung, einer geballten Ladung Musik und einer Fülle perfekt inszenierter Gimmicks. So schwebt bei "Hells Bells" eine riesige Glocke von der Hallendecke, bei "Highway to Hell" schwingt ein aufgeblasener Plastik-Teufel auf der Bühne drohend seinen zackigen Schweif und bei "Money Talks" (der aktuellen Hit-Single vom neuen Album) regnen falsche Geldscheine auf die Fans nieder.

We salute you! Brian Johnson und Angus Young am 2. September 1984 im Frankenstadion als Headliner von "Monsters of Rock". Mit dabei damals auch Van Halen, Ozzy Osbourne, Dio, Accept, Gary Moore und Mötley Crüe.

We salute you! Brian Johnson und Angus Young am 2. September 1984 im Frankenstadion als Headliner von "Monsters of Rock". Mit dabei damals auch Van Halen, Ozzy Osbourne, Dio, Accept, Gary Moore und Mötley Crüe. © Wilhelm Bauer

Dazu donnern die fünf Musiker einen lümmelhaften, im Grunde immer gleichbleibenden Gassenhauer-Sound. Einen musikalischen Hospitalismus, den die Band lustvoll und mit mehr oder weniger Erfolg seit fünfzehn Jahren reproduziert und der sich auf wenige einfache Formeln gründet. Aus sattsam bekannten Boogie-Figuren und knallhartem Rock 'n' Roll schweißen die Musiker den typischen "AC/DC"-Sound zusammen, eine auf ihren Studiowerken mittlerweile ermüdende Mischung, die aber auf der Bühne immer noch elektrisiert.

Dank Angus Young. Denn ein "AC/DC"-Konzert lebt in erster Linie von seinen rotzigen energiegeladenen Solo-Einlagen, ohne die die Band wohl nie aus dem Land der Känguruhs herausgekommen wäre. Ihn wollen die Fans sehen, die rot-samtene Schuluniform ebenso wie die zuckenden Sprints über die Bühne. Und wenn der feuchte Traum vieler Hobby-Gitarristen einsam erleuchtet auf der erhöhten Bühnenrampe steht und mit nur einer Hand metallische Klang-Salven aufsteigen läßt oder plötzlich auf einer Hebebühne am Hallenende auftaucht, dann entpuppt er sich als charismatischer Stilist mit minimaler klanglicher Bandbreite aber maximaler Wirkung auf die Fans.

Allenfalls Sänger Brian Johnson kann ihm in punkto Bühnenpräsenz das Wasser reichen. Schließlich verfügt der musikalische Schwerarbeiter mit der ewigen Schlägermütze über den ehrlichen Charme eines verschwitzten Stahlkochers und ein Organ, das geeignet ist, einen fahrenden Zug zu stoppen. Dagegen beschränken sich Bassist Cliff Williams und Rhythmus-Gitarrist Malcolm Young auf Statistenrollen und einen statischen Rock'n Roll-Untergrund, während Glatzkopf Chris Slade unermüdlich am Schlagzeug schuftet.

Doch ist es trotz der aufwendigen Show gerade die Ehrlichkeit und der Verzicht auf musikalisches Pathos, der die Fans begeistert. Nach einem mit Hits prall gefüllten Osterkörbchen legen "AC/DC" mit "Highway to Hell" und "TNT" noch zwei Eier nach, bevor sie sich mit einem lautstarken Salut aus zwei Kanonenrohren endgültig verabschieden. Happy birthday, Angus.

Am Freitag finden Sie auf nordbayern.de Fotos von der Anreise der Fans, sowie eine Bildergalerie vom AC/DC-Konzert.

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