Andreas Spechtl: "Es passiert ziemlich viel Wahnsinn"

30.10.2014, 17:53 Uhr
Andreas Spechtl:

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Ihr habt im Januar mit "Libertatia" Euer fünftes Album veröffentlicht. Was hat die neue Ära mit sich gebracht?

Andreas Spechtl: Für uns war es ein aufregendes Jahr, es ist relativ viel passiert. Zwei Bandmitglieder waren zuvor ausgestiegen, und wir haben diese Platte dann zu dritt aufgenommen. Bei Auftritten mit neuen Mitgliedern, die quasi eher "angestellt" waren, merkten wir schnell, das geht so nicht. Inzwischen ist Laura Landergott neues Bandmitglied bei uns. Im Laufe von vielen Konzerten sind wir langsam mit ihr zu einer echten Band geworden. Das merkt man live ganz arg, und das war uns auch sehr wichtig.

"Swing die Staatsfinanzen, sing ihnen ihre Melodie, zwing sie zum Tanzen", heißt es beispielsweise in Eurem Song "Dance the ECB". System- und kapitalismuskritische Schlagworte waren immer schon Teil Eurer Texte, Eurer Identität. Zu "Libertatia" habt ihr ein ganzes Manifest verfasst. Woher habt Ihr dieses Bewusstsein, diesen Anspruch?

Spechtl: Es sind Dinge, die mich als Mensch einfach interessieren. Es passiert ziemlich viel Wahnsinn, so viele irrationale Dinge, die mich auch in meinem Alltag beschäftigen. Ich bin weder ein "rich kid" noch komme ich aus einer Proletenfamilie. Ich bin froh über das, was ich habe. Das Schlimmste, was man im Zusammenhang mit diesem "Linken-Ding" tun kann, ist auf Verzicht zu pochen. Es geht eher darum zu sagen, gewisse Dinge, die ich habe, sollen alle haben. Das ist vielleicht die Umdrehung dieses klassischen linken Denkens, bei dem es heißt "Wir müssen zurückstecken! Wir müssen zurückstecken!" Man sollte stattdessen Utopie wagen.



Und was passiert in zehn, zwanzig Jahren? Kriegen wir ein Libertatia, wenigstens in Europa?

Spechtl: Ich glaube leider nicht daran; wohl aber, dass man immer wieder auf die Alternativen hinweisen muss. Wenn man sich die Leute ansieht, die an der Macht sind, da muss man schon skeptisch, wenn nicht fast schwarzmalerisch sein. Im Hinblick auf alles, was da jetzt an den Grenzen Europas passiert, muss ich schon sagen: Momentan glaube ich, das wird kein gutes Ende nehmen. Aber gerade deswegen ist es wichtig, eine Platte wie "Libertatia" zu machen und solche Texte zu schreiben, nicht nur das Negative zu sehen. Andererseits, so sehr glaub ich dann auch nicht an die Kunst. Sie kann die Geschehnisse in der Welt aufzeigen, aber ob sie sie verändern kann, da bin ich skeptisch.

Ihr seid inzwischen schon öfter in Nürnberg aufgetreten. Hattet Ihr zwischendurch Zeit, auch jenseits der Bühne etwas zu unternehmen?

Spechtl: Wir sind nach einem Konzert im Sommer mal in ein recht schönes Freibad "eingestiegen" und haben nackt gebadet. Einige von uns waren auch mal mit der Band Die Heiterkeit unterwegs, da haben wir in so einer kleinen Bar aufgelegt, wo es guten Alkohol und eher teure Schnäpse gab, wie hieß denn die? (Anmerkung der Redaktion: Andreas spricht von der Mono Bar) Ich war auch beim Christkindlesmarkt, als wir zur Weihnachtszeit in Nürnberg gespielt haben.

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Mittlerweile lebst Du in Berlin, aber angefangen habt Ihr als Band aus Österreich. Wie ist das Verhältnis Eures Heimatlands zur deutschen Musikszene?

Spechtl: In kultureller Hinsicht blickt Österreich schon ehrfurchtsvoll, zu ehrfurchtsvoll auf den "großen Bruder Deutschland". Ganz prinzipiell merkte man das schon bei uns, diese Tendenz, sich klein zu machen und alles, was aus Deutschland kam, mit großen Augen zu bestaunen. Wir haben schon eine Zeit lang auch eine gewisse Arroganz zu spüren gekriegt. Ich glaube, mit einer gewissen Hartnäckigkeit, die auch unsere Band auszeichnet, findet man seinen Platz.

Ihr musstet bis zum vierten Album warten, bis Ihr richtig in den Charts ankamt, nicht einfach nur Kritikerlieblinge, sondern etablierte Kritikerlieblinge wart.

Spechtl: Aber das ist häufig so, das geht ja auch englischen oder amerikanischen Bands oft nicht anders. Man muss es sich leisten können, dran zu bleiben. Man muss es sich auch leisten wollen. Natürlich kann man nach der zweiten Platte hinschmeißen. Es ist das Leben, das wir uns ausgesucht haben. Bei der Gruppe Ja, Panik ging es nie groß um Karriere. Ich bin froh, wenn wir unsere Miete zahlen können. Dafür sind wir auch sehr dankbar, denn das können viele nicht allein mit ihrer Musik.


Ja, Panik spielen am Montag, 3. November, ab 20 Uhr im Hirsch in Nürnberg.

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