Berufe zwischen Tradition und Hightech

30.10.2015, 20:01 Uhr
Berufe zwischen Tradition und Hightech

© Foto: Günter Distler

Alexander Grämer baut Erlangen. In seiner Werkstatt in St. Johannis entsteht die Stadt aus Lindenholz im Maßstab von 1:500. Wenn sie fertig ist, dient sie der Arbeit der Stadtplaner. Grämers Unternehmen ist auf Modelle spezialisiert. „Schiffe und Autos machen wir nicht“, sagt der Chef. Aber ansonsten: Parfümflakons, Hörgeräte, Lippenstifte, Schreibtischstühle, Hundeleinen, Reisebusbeleuchtung, Shampooflaschen. Bevor ein Produkt in Serie geht, wird bei „Ardes Modellbau“ erst einmal der Prototyp geschaffen. Ob aus Holz, Kunststoff oder Metall.

In Grämers Werkstatt wird filigrane Handarbeit geleistet, kommen schwere Maschinen und Laser zum Einsatz. „Technischer Modellbauer“ heißt der Ausbildungsberuf. Und dieser steht auch für die Entwicklung im Handwerk insgesamt, für den Wandel: Das Fundament bildet immer noch die Tradition, doch mehr und mehr halten moderne Technologien Einzug.

Umso dringender braucht das Handwerk gute Leute. Und umso mehr ärgert es Achim Hanisch, dass sich immer mehr Schulabgänger für ein Studium entscheiden, anstatt eine Ausbildung zu machen. Nach Ansicht des Kreishandwerksmeisters ist die Ursache dafür ein gesellschaftspolitisches Problem. „Zu viele Eltern meinen, ihre Kinder müssten unbedingt studieren.“ Dabei brauche das Land dringend Handwerker. „All die tollen Pläne, die auf den Schreibtischen entstehen, muss doch auch jemand umsetzen!“

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© Foto: Eduard Weigert

Die Hoffnung, dass Flüchtlinge den Nachwuchs- und Fachkräftemangel abmildern können, teilt Hanisch nur bedingt. „Die Euphorie, die in dieser Beziehung momentan herrscht, kann ich nicht ganz nachvollziehen“, sagt er. „Natürlich werden gute, motivierte Leute kommen. Aber eben nicht nur.“ Die Grundbasis seien Sprachkenntnisse, hier sieht Hanisch den Staat in der Pflicht.

So motiviert die Modellbauer in Alexander Grämers Betrieb sind, so begeistert sind auch die Gitarren- und Geigenbauer in Max Strohmers Werkstatt in der Deichslerstraße bei der Sache. Seit mehr als 100 Jahren existiert das Unternehmen, ein Familienbetrieb, der nun schon in der vierten Generation geführt wird. Was hier mit viel Fingerspitzengefühl gefertigt, repariert oder restauriert wird, ist begehrt. Viele Aufträge bekommt die Nürnberger Firma auch aus Japan, China und Korea.

Geschicklichkeit und Geduld braucht diese Arbeit, viel Wissen über Holz und seine Eigenarten. „Erfahrung ist ein wesentlicher Faktor“, sagt Carolin Strohmer, Max Strohmers Tochter, die Geigenbaumeisterin von Beruf ist und das Lebenswerk ihrer Vorfahren fortsetzt. Auch im Geigenbau steht der Nachwuchs nicht Schlange, doch wer sich für den Beruf entscheidet, erfüllt sich einen Traum. So ist es auch bei den Mitarbeitern der Strohmers.

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© Foto: privat

Am anderen Ende der Stadt, in einem Industriegebiet an der Illesheimer Straße, befindet sich die Schweißerei Michel – ebenfalls ein Familienunternehmen, 50 Jahre alt. Cornelia Michel, die Tochter des Firmengründers Konrad Michel, führt heute die Firma. Auftraggeber sind die verschiedensten Branchen – von der Automobilindustrie bis zum Kraftwerksbauer. Zu einem der größeren Projekte der Michels gehört etwa die Anfertigung des Medienwürfels in der Arena Nürnberger Versicherung.

Dass Metallbau nicht mehr nur Männersache ist, zeigt ein Blick in die Werkstatt. Da sind auch drei Frauen im Einsatz, eine davon ist Cornelia Michels Tochter Ramona. Ein Fachkräfteproblem habe ihr Unternehmen nicht, sagt die Chefin. „Wer bei uns ist, bleibt in der Regel auch.“

Mehr als 22 000 Mitgliedsbetriebe zählt die Kreishandwerkerschaft Nürnberg Stadt und Land. Um die Unternehmen, sagt Achim Hanisch, sei es momentan sehr gut bestellt. In einer Umfrage habe sich die große Mehrheit der Betriebe im Blick auf ihre Auftragslage positiv geäußert. Dass sich im Jahr 2014 erstmals mehr Schulabgänger für ein Studium statt für eine Ausbildung entschieden hätten, quittiert Hanisch mit einem Kopfschütteln. „Es gibt mehr als 140 Berufe im Handwerk, die anspruchsvoll und abwechslungsreich sind. Wenn wir als Gesellschaft funktionieren wollen, brauchen wir gute Leute.“

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