Bestechung: IHK bestätigt Verstöße bei Taxi-Prüfungen

28.11.2018, 16:01 Uhr
Bestechung: IHK bestätigt Verstöße bei Taxi-Prüfungen

Welche acht Bestandteile muss eine Rechnung beinhalten? Was ist der Unterschied zwischen Grundschuld und Hypothek? Wie sieht eine Mindestumsatz-Kalkulation aus? Wer die Genehmigung für den Betrieb eines Taxi-Unternehmens erteilt bekommen will, muss betriebswirtschaftliches Grundwissen nachweisen. Die bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) abzulegende Fachkundeprüfung gilt zu Recht als nicht einfach. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer besteht die Prüfung im Schnitt nicht.

Seit eineinhalb Jahren, so der jetzt im Raum stehende Verdacht, hatte sich landesweit zumindest bei Teilen der Bewerberszene herumgesprochen, dass man in Nürnberg ohne das Büffeln von Rechnungswesen ans Ziel kam. Beim zuständigen Sachbearbeiter der örtlichen IHK konnte man, wie es aussieht, die Bestätigung für die erfolgreich abgelegte Prüfung nämlich gegen eine feste Summe kaufen.

Wohnsitz verlegt

Diese bequeme, aber leider höchst illegale Methode, an die wichtigste Voraussetzung für die Taxi-Unternehmer-Lizenz zu kommen, erschien etlichen Interessenten offenbar so attraktiv, dass sie vorübergehend und pro forma ihren Wohnsitz nach Nürnberg verlegten, weil sie sich nur so hier für die Fachkundeprüfung anmelden konnten. Mit der gekauften Bestätigung im Gepäck beantragten sie dann bei der Stadt- beziehungsweise Kreisverwaltung ihres tatsächlichen Wohnorts die Genehmigung zum Betrieb eines Taxi-Unternehmens.

Aufmerksam gemacht wurden die Verantwortlichen der hiesigen IHK, laut Pressesprecher Kurt Hesse, durch einen Hinweisgeber von außen. Beim nächsten offiziell angesetzten Prüfungstermin sei es dann zu einer "unangemeldeten Intervention" gekommen, bei der "Regelverstöße gegen die Prüfungsordnung festgestellt" worden seien. Diese nahm man zum Anlass, zwei zuständige Sachbearbeiter mit sofortiger Wirkung freizustellen. "Sie sind nicht mehr für die IHK tätig."

Seit sieben Wochen ist der Fall der Staatsanwaltschaft Nürnberg angezeigt. Gegen den Hauptverdächtigen, der 31 Jahre lang bei der IHK Nürnberg für Mittelfranken beschäftigt war und sich auf freiem Fuß bewegt, ermittelt die Behörde laut Sprecherin Antje Gabriels-Gorsolke inzwischen wegen Bestechlichkeit. Nähere Angaben zum Stand dieser Ermittlungen sind derzeit nicht zu erhalten.

IHK-Sprecher Hesse bestätigt unterdessen, dass nach ersten Einschätzungen seines Hauses rund 200 Prüfungsteilnehmer in den letzten eineinhalb Jahren "potenziell betroffen von Verstößen" gegen die Prüfungsregeln sind. Dabei handelt es sich offenbar um Teilnehmer von "Sonderprüfungsterminen", die wegen der plötzlich hohen Nachfrage angesetzt worden waren. Hesse: "Auffällig ist, dass alle Teilnehmer an diesen Sonderterminen die Prüfung bestanden haben, wohingegen die Durchfallquote ansonsten bei über 60 Prozent liegt."

Zu den Summen, um die es bei dem Bestechungsvorwurf geht, wollen derzeit weder IHK noch Staatsanwaltschaft Angaben machen. Der Hauptverdächtige, so ist zumindest seiner reich bebilderten Facebook-Seite zu entnehmen, pflegte trotz seines einfachen Sachbearbeiter-Status einen durchaus aufwendigen Lebensstil mit häufigen Fernreisen und PS-starkem Achtzylinder-Pkw.

Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, müssen auch alle Taxi-Unternehmer, die sich mit der Bezahlung von Bestechungsgeld die Prüfungsbestätigung sicherten, mit rechtlichen Konsequenzen rechnen. IHK-Sprecher Hesse kündigte an, sein Haus werde "alle betroffenen Bescheide einkassieren". Man habe damit schon begonnen.

Besorgte Taxi-Zentrale

Große Aufregung herrscht wegen des mutmaßlichen Bestechungsskandals auch unter den hiesigen Taxi-Unternehmern. Wolfgang Ziegler, Chef der Taxi-Zentrale, bestätigt, dass er am 8. Oktober von den Vorwürfen erfahren hat. Weder ihm noch seinem im Prüfungsausschuss sitzenden Kollegen seien zuvor Unregelmäßigkeiten bei der Fachkundeprüfung bekanntgewesen. Seine Sorge: "Es darf jetzt nicht jeder junge Taxi-Unternehmer schief angesehen werden." Schließlich habe es auch in der jüngeren Vergangenheit durchaus regelkonforme Prüfungen gegeben.

"Größtes Interesse an der Aufklärung" des Falles bekundet auch die IHK. Sie distanziert sich von dem Fehlverhalten der Beteiligten und will die Staatsanwaltschaft bei der Aufklärung der Vorwürfe "vollumfänglich" unterstützen.

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