Bettwanzen sind in Nürnberg auf dem Vormarsch

29.12.2009, 00:00 Uhr
Bettwanzen sind in Nürnberg auf dem Vormarsch

© Privat

Sie werden bis zu fünf Millimeter groß, sind hauchdünn und ähneln im Aussehen Zecken. Einmal mit nach Hause gebracht, nisten sich die Bettwanzen in den kleinsten Fugen von Schränken, Wänden, Sofas, Bettmatratzen oder sogar in Steckdosen ein. Sie von dort wieder zu entfernen, ist laut der Nürnberger Schädlingsbiologin Eva Scholl ein langwieriger Prozess: «Sie vermehren sich sehr schnell und können durch die kleinsten Spalten flüchten. Da die Weibchen ihre täglich zwei bis drei Eier festkleben, kann man sie nur schwer entfernen.«

Insekten ernähren sich durch Blut der Menschen

Hygiene–Inspektorin Petra Lehner-Röss vom Gesundheitsamt verzeichnet einen Zuwachs des Bettwanzenbefalls in Nürnberg: «Zwar ist dieser nicht meldepflichtig, aber vor zehn Jahren meldeten sich drei bis fünf Ratsuchende jährlich, inzwischen sind es zwischen 20 und 30 Anrufe.«

Die Insekten ernähren sich durch unser Blut. Charakteristisch sei dabei laut Scholl, dass die Stiche häufig in Reihen angeordnet sind, also entlang der Linie, wo der Körper auf der Matratze aufliegt. Zwar sind die Stiche der Bettwanzen nicht weiter gefährlich, doch nicht selten erleiden Betroffene psychische Störungen, schildert die Schädlingsbiologin: «Sie steigern sich hinein, empfinden Ekel und haben trotz erfolgreicher Bekämpfung Angst, dass vielleicht doch noch irgendwo eine Bettwanze lauert.«

Umzug des Ungeziefers durch Sperrmüllsammler

Hierzulande ist weniger mangelnde Hygiene die Ursache für die Verbreitung der Schädlinge. Viel eher sei es laut Lehner-Röss ein eingeschlepptes Problem: «Durch den Rucksacktourismus werden die Bettwanzen aus fernen Ländern mitgebracht und durch den Trend, bereits genutzte Kleidung und Möbel erneut zu nutzen, weiterverbreitet.« Durch Secondhand-Läden, Flohmärkte und Sperrmüllsammler zieht das Ungeziefer sozusagen mit um - und verbreitet sich im neuen Zuhause weiter.

Dass man allerdings nicht an den unzivilisiertesten Zipfel der Welt reisen muss, um sich das Ungeziefer einzufangen, haben die 19-jährige Sophia und die 20-jährige Julia (Namen von der Redaktion geändert) aus Nürnberg diesen Sommer erlebt.

In der Jugendherberge in den USA eingefangen

Da Hotels in den Vereinigten Staaten erst Gäste ab 21 Jahren aufnehmen, blieb den beiden Mädels nur eine Jugendherberge, wobei sie bei der Buchung auch auf das Aussehen der Unterkunft achteten. Dennoch bemerkten die beiden nach der Hälfte ihres Urlaubs zahlreiche rote Punkte an Dekolleté, Armen und Beinen. «Das sah nicht nach Mückenstichen aus, eher wie eine Allergie und juckte kaum«, beschreibt Julia, und Sophia fährt fort: «Irgendwann fanden wir dann auch noch kleine Tiere auf dem Bett.« Daraufhin informierten sich die Nürnbergerinnen im Internet und fanden heraus, dass es sich um Bettwanzen handelte.

Als sie sich im Krankenhaus Salben gegen den schlimmer werdenden Ausschlag holten, erhielten sie die Aussage, dass Bettwanzen in Amerika wohl weit verbreitet seien. Während die beiden ziemlich ruhig blieben, reagierten deren Familien weniger gelassen: «Mit unserem Anruf brach die Hysterie los. Kaum zu Hause, starteten wir eine Megawaschaktion und schmissen etliche Sachen sogar weg«, erzählt Julia.

Familien starteten große Hygieneaktion

Und auch Sophia erinnert sich an die außergewöhnliche Begrüßungszeremonie: «Meine Mutter wollte mich nicht mal in die Wohnung lassen. Es fehlte nur noch, dass sie ein Gummizelt um mich herum aufbaut. Glücklicherweise verging der Ausschlag bald wieder und die weitere Spurensuche blieb ohne Ergebnis.«

Davon, die Bettwanzen im Alleingang zu bekämpfen, rät die Hygiene-Inspektorin ab und die Schädlingsbiologin berichtet, dass sie schon oft erlebt habe, dass Betroffene versuchten, durch das Waschen der Betten und Kleider eine Besserung hervorzurufen. «Doch Waschen bei 40 Grad hat höchstens eine frisch gewaschene Bettwanze zur Folge«, so Scholl. Viel besser sei es, die Sachen in einer verschlossenen Plastiktüte in die Gefriertruhe zu legen und mehrere Tage tiefzukühlen.

Tiefkühlen, Erhitzen oder ein Suchhund

Statt Tiefkühlen und Chemiekeulen setzt das Nürnberger Unternehmen APC AG auf Erhitzen. Bei 60 Grad Raumtemperatur über mehrere Tage sterben die Wanzen ab. Doch auch hier muss das Ungeziefer zuvor erst einmal gefunden werden. Hierfür setzt die Firma auf tierische Hilfe und schickt den europaweit einzigen Bettwanzen-Spürhund in Hotel- und Schlafzimmer.

«Unser Madox findet Bettwanzen, da er den spezifischen Geruch der Schädlinge wahrnimmt und die Verstecke durch Fixierung mit Schnauze und Augen anzeigt«, beschreibt Sabine Lindemuth-Kahlo, Pressesprecherin des Unternehmens. Den eineinhalbjährigen Schäferhund zu finden, war auch gar nicht so einfach, erzählt Lindemuth-Kahlo: «Neben einem ausgeprägten Spieltrieb und Geruchssinn muss er lebhaft und intelligent sein. Madox hat diese Eigenschaften.«

Gäste schleppen Tierchen in die Hotels ein

Neben Privatpersonen rufen selbst Hotelbesitzer den Schäferhund mit der besonderen Spürnase zum Einsatz. Auch in Nürnberg sei das Hotelgewerbe kein bettwanzenfreies Gebiet: «Ich habe es, wenn auch selten, schon erlebt, dass das Ungeziefer in gute Mittelklassehotels eingeschleppt worden ist, obwohl man es hier kaum erwartet hätte. Doch man weiß eben nie, was die Gäste mit im Gepäck haben.« Für den nächsten Urlaub rät sie deshalb auch nur: «Mit offenen Augen auf Anzeichen zu achten. Aber passieren kann es einem letztlich überall!«