Casper: Rampensau auf der Straße der Hoffnung

18.3.2014, 19:03 Uhr
Casper in der Arena in Nürnberg: Das Publikum geht mit.

© Roland Fengler Casper in der Arena in Nürnberg: Das Publikum geht mit.

"Ausverkauft!", "Hochverlegt!", "Zusatzkonzert!" - schaut man sich Caspers Tourplan an, kann man nur staunen: Jedes der 22 Konzerte ist offenbar zu klein angelegt worden. Irgendwas muss also dran sein an dem Jungen mit der Raspelstimme. Als er dann mit Karacho auf die Bühne stürmt, ist auch jeder Zweifel innerhalb von Sekunden weggefegt: Der Typ ist ein Berserker, ein Bühnentier, eine Rampensau vor dem Herrn.

Gleich der erste Song – „Im Ascheregen“ vom neuen Album „Hinterland“ – macht klar, was die Wahl des Vorprogramms andeutete: Casper zieht keine Gräben zwischen den Genres, umarmt den breitwandigen Gitarrenrock genauso wie den HipHop, der ihn musikalisch sozialisiert hat. Welcher andere Rapper würde eine Band wie die famosen amerikanischen Indierocker „Portugal. the man“ als Support engagieren?

Abgesehen davon: Man findet nur wenige Performer, deren Charisma aus dem Stand bis in die hinterste Reihe eines gut gefüllten Eisstadions strahlt und deren Musik, trotz des zunächst katastrophalen Sounds (später wird’s besser), eine derart erhebende Wirkung hat. „Alles endet (aber nie die Musik)“: Was für ein Song, was für eine Feuersbrunst an Emotionen, was für ein Sturm von Überlebenswillen und Stolz!

Casper singt ungeschönt vom Elend und Dreck des Alltags, vom schnellen Sex auf dem Discoklo und der viel zu kleinen Wohnung, vom Scheitern an den eigenen Erwartungen und den Opfern, die es zu bringen lohnt. Nicht umsonst wird im Zusammenhang mit den „Hinterland“-Songs oft der Vergleich mit Bruce Springsteen bemüht.

Was die Kommunikation mit dem Publikum betrifft, verlässt sich Casper allerdings auf die übliche Routine: Schreien, noch lauter Schreien, mit den Armen wedeln. Man verzeiht ihm das angesichts der Wahrhaftigkeit seiner Musik – und die Menge frisst ihm sowieso aus der Hand: Viele Textpassagen lässt er das Auditorium singen, die kollektiven Chöre heben die Arena aus den Angeln.

Die Show, von der Band kraftvoll und ohne solistische Mätzchen durchgezogen und mit beeindruckenden Filmprojektionen unterfüttert, besucht im Mittelteil die alte HipHop-Schule und führt über die düstere Revolutions-Phantasie „Der Druck steigt“ durch die Ruinen implodierter Träume zurück auf die Straße der ewigen Hoffnung: „Wir sind die letzte Gang der Stadt“ – wenn das ein viel-tausendfacher Chor zum peitschenden Dance-Beat skandiert, kann man sich glatt als Teil von etwas Großem fühlen – wenn auch nur für die kurze Dauer eines Songs. Mehr darf man von Pop sowieso nicht erwarten.

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