Der Nürnberger Fall Deniz K. wird neu aufgerollt

25.6.2013, 08:00 Uhr

Der Fall polarisierte von Anfang an: Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Tötungsversuch, die Anwälte sahen vor allem Belastungseifer. Sie zeigten sich überzeugt, dass die Polizei und die Anklagebehörde potenziell gewaltbereiten Demo-Teilnehmern mit aller Härte die Grenzen aufzeigen wollte.

Die Emotionen kochten hoch: Als K., der aus dem Raum Stuttgart stammt, wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Landfriedensbruch verurteilt wurde, protestierten seine Unterstützer so lautstark, dass die Richter angesichts der Tumulte den Saal räumen ließen.

Vorwurf stark abgemildert

Dabei milderten die Richter der Jugendkammer I den Vorwurf der Anklageschrift (die Staatsanwaltschaft ging von fünffachem versuchten Totschlag aus) stark ab. Die Verteidigung legte Revision ein und nun gab der BGH den Rechtsanwälten Iñigo Schmitt-Reinholtz und Martin Heiming recht.

Die Anwälte sahen den Grundsatz der Öffentlichkeit — gerade im Strafverfahren ist er sehr bedeutsam — verletzt. Schließlich fand die Urteilsverkündung schier unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Diese Einschätzung wurde von den obersten Karlsruher Richtern nicht geteilt.

Den Rechtsfehler sieht der BGH bei der Strafzumessung: Befinden die Richter darüber, wie eine Straftat zu ahnden ist, spielen für die Höhe der Strafe etwa die Art und Weise der Tat, das Motiv des Täters oder dessen Vorstrafen eine gewichtige Rolle. Zeigt ein Straftäter tätige Reue und müht sich, den Schaden, so weit möglich, wieder gutzumachen, wirkt sich dies strafmildernd aus.

In diesem Fall rügt der BGH, dass sich die Richter in ihren Erwägungen auch von den Familienverhältnissen des Angeklagten beeindrucken ließen. Der Bruder K.s ist in Rheinland-Pfalz als Polizist tätig, in ihrer Urteilsbegründung hielten die Richter eben dies Deniz K. vor: Betrachtet er auch seinen Bruder als Prügelknaben und beschimpft ihn als Bullen? Nur weil sein Bruder im Polizeidienst steht, seien von K. keine besonderen Pflichten zu erwarten, so der BGH.

Vermutlich erst nach den Sommerferien wird das Verfahren vor einer anderen Jugendkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth neu aufgerollt. Verteidiger Schmitt-Reinholtz erwartet ein milderes Urteil.

Deniz K. sitzt seit April 2012 in Untersuchungshaft: Es ist damit zu rechnen, dass er nun entlassen wird. Zur Neuauflage seines Prozesses wird er wohl auf freiem Fuß sein.

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