DFB-Elf: Teamgeist wächst am "Nürnberger Tresen"

12.6.2014, 12:06 Uhr
Die interaktive Bar im deutschen Quartier soll einen Beitrag zum Teamgeist leisten. Interaktiv, das bedeutet: Bei der Videoinstallation können die Spieler und Fans auch mit eigenen Bildern die Bar bestücken.

© Foettinger Die interaktive Bar im deutschen Quartier soll einen Beitrag zum Teamgeist leisten. Interaktiv, das bedeutet: Bei der Videoinstallation können die Spieler und Fans auch mit eigenen Bildern die Bar bestücken.

Mannschaftsquartiere sind immer auch Orte der Langeweile. Selbst im Weltmeister-Jahr 1974 in Malente, dessen siegbringender "Geist" bis heute schwärmerisch beschworen wird, hat es mitunter gekracht. Wie das Magazin 11 Freunde aktuell berichtet hat, beschimpfte der rustikale Verteidiger Horst-Dieter Höttges den damaligen Trainerassistenten Jupp Derwall während eines heftigen Wortgefechtes als "grauen Elch". Uli Hoeneß und Franz Beckenbauer büxten heimlich aus, um ihre Frauen zu treffen — in einem Auto mit defekten Bremsen.

Campo Bahia soll nach dem Willen des DFB ein anregender Ort sein. 17 bildende Künstler(innen) haben das Camp mit ihren Beiträgen ausgestaltet. Für den Dorf-Treff sind in künstlerischer Hinsicht Claus Föttinger und der weltweit renommierte Fotograf Andreas Gursky zuständig.

Ein Indio-Häuptling hat Dieter Föttinger diese Pfeife geschenkt.

Ein Indio-Häuptling hat Dieter Föttinger diese Pfeife geschenkt. © Foettinger

Wohlfühlen und Nachdenken

Der gebürtige Nürnberger mit Wohnsitz in Düsseldorf hat in Sachen Bar-Gestaltung schon viel Aufsehen erregt. Seit den 80er Jahren richtet er solche Treffpunkte in Museen und Galerien ein. Diese funktionieren immer wie im echten Leben. Wobei der reine Wohlfühl-Effekt Föttinger zu wenig ist. Er wählt seine gestalterischen Motive so aus, dass sie zum Nachdenken über die Geschichte und Kultur des jeweiligen Standortes anregen.

Die Lust auf Fußballkultur wurde bei Claus Föttinger von Herbert Zimmermann geweckt. Dessen legendärer Ausruf "Aus, aus, das Spiel ist aus, Deutschland ist Weltmeister!", eingeblendet am Ende des Faßbinder-Films "Die Ehe der Maria Braun", habe in kongenialer Weise Fußball, die junge Bundesrepublik Deutschland, Nazideutschland und die deutsche Nachkriegsgesellschaft als Schicksalsgemeinschaft in einer unvergesslichen Szene der Filmgeschichte zusammengebracht. Dieser prägende Moment, so der 54-jährige Künstler, habe ihn dazu gebracht, die Bar zum Gegenstand von Installationen zu machen.

Jogi Löw blickt auf den Tresen, wo Nürnbergs Fußball-Legende Max Morlock vom Lampenschirm lächelt. Neben Claus Föttinger ist hinten links DFB-Quartiermacher Jürgen Meissner zu sehen. Er kellnerte einst in der Meisengeige.

Jogi Löw blickt auf den Tresen, wo Nürnbergs Fußball-Legende Max Morlock vom Lampenschirm lächelt. Neben Claus Föttinger ist hinten links DFB-Quartiermacher Jürgen Meissner zu sehen. Er kellnerte einst in der Meisengeige. © Foettinger

Seine erstes WM-Werk hat Föttinger 1990 auf die Beine gestellt. Es war damals die Simulation eines Vereinsheims aus den 50er Jahren. 2006 folgte in Düsseldorf die erstmalige Zusammenarbeit mit Andreas Gursky. Die Konzeption dieses Treffpunkts lebt 2014 in Campo Bahia wieder auf.

Ein wichtiges Gestaltungsmittel der zentralen WM-Bar (es gibt eine weitere in einer 1500 Meter entfernten Villa am Meer) ist als "Teppich" ein Gursky-Foto der Amsterdam-Arena im XXL-Format. Eine Reihe von mit Helden-Porträts bespannten Lampenschirmen sind ein weiteres.

Vor allem aber sind es sechs 55-Zoll-TFT Monitore. Auf diesen werden emotionale, motivierende Bilder aus der 100-jährigen Geschichte der deutschen Fußball-Nationalmannschaft sowie legendäre Szenen aus früheren WM-Spielen gezeigt werden. Da schießt Rahn, küsst Sepp Herberger den Siegerpokal oder schleicht ein tieftrauriger Uwe Seeler im Jahr 1966 zur englischen Queen, um sich die Silbermedaille des Verlierers abzuholen. Und, und, und . . .

Auch die Kicker wirken mit

Rund 5000 Fotos sind laut Claus Föttinger eingespeichert. Wobei es, ganz zeitgemäß, eine interaktive Komponente geben wird. Die Spieler sind eingeladen, ihre selbst gemachten Smartphone- oder Tablet-Fotos hinzuzufügen und so Einfluss auf die Optik der Bar zu nehmen. Dazu sollen nach speziellen Algorithmen auch motivierende Bilder der Fans aus aller Welt mit eingeblendet werden.

DFB-Elf: Teamgeist wächst am

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Diese wiederum werden über die Facebook-Fan-Seite des DFB ausgewählt. Die dort beliebtesten Bilder werden es in die Bar schaffen – zur Freude, Inspiration und Motivation von Neuer, Müller, Khedira und Co. So könne der Treffpunkt, erklärt Claus Föttinger, im Laufe der Weltmeisterschaft zu einem wachsenden Kunstwerk werden.

Um das Programmieren des Facebook-Angebotes kümmert sich Dieter Föttinger. Noch gestern war er damit beschäftigt. Der Inhaber einer hiesigen IT-Firma arbeitet seit dreißig Jahren als Experte fürs Elektronische und Virtuelle mit seinem Bruder zusammen.

Nebenbei bastelt er auch noch an einem WM-Song, für den er mit einheimischen Musikern zusammengearbeitet hat. Keine Mitgröhl-Nummer soll es werden, sondern ein Lied, das authentisch die Stimmung im Camp transportiert. Aber grundsätzlich hält er sich im Hintergrund. "Ich bin vor allem der gute Geist", beschreibt Dieter Föttinger seine Rolle. Einen solchen kann jede Mannschaft gut gebrauchen. Ein bisschen Malente liegt derzeit am Atlantik.

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