Doku über Exil-Fans: Dieser Berliner lebt für den FCN

25.4.2016, 15:33 Uhr
Doku über Exil-Fans: Dieser Berliner lebt für den FCN

© Harald Baumer

Wer gibt unter den Fanclubs in der Hauptstadt den Ton an?

Martin Zeising: Das sind natürlich zunächst mal die großen, erfolgrei­chen Vereine wie Bayern und Dortmund. Aber auch die Traditionsklubs Mönchengladbach, Stutt­gart, St. Pauli und Wer­der Bremen spielen eine Rolle. Nicht zu vergessen der FCN. Grundsätzlich ist der Zuspruch auch immer ein wenig davon abhängig, wie der Verein aktuell in der Tabelle steht.

Und wer steht in der Hauptstadt am schwächsten da?

Zeising: Das sind zu­sammengekaufte Werks- ­oder Retortenvereine wie Bayer Leverkusen, Red Bull Leipzig oder der FC Ingolstadt. Woher sollen da auch die Fans kom­men? Da steckt ja keine Entwicklung, keine Ge­schichte dahinter.

Sie selbst sind in Ber­lin geboren, in der Pfalz aufgewachsen und leben wieder in Berlin. Wie sind Sie eigentlich zum Club-Fan geworden?

Zeising: Im Grunde wären für mich als Ju­gendlichen damals Bay­ern, der HSV oder in der Pfalz natürlich Kaisers­lautern infrage gekom­men. Über die hat man damals gere­det, die waren "in". Weil es aber da jeweils schon einen Mitschüler als Fan gab, den ich nicht leiden konnte, musste ich mir einen anderen Verein suchen. Ich habe ein kicker­-Sonder­heft Berliner Geschichten geschenkt bekommen und blätter­te es nach dem schönsten Trikot durch. Das war das des 1. FC Nürnberg.

Was sind denn das für Menschen, die aus der Ferne für einen Verein mit­fiebern?

Zeising: Die meisten haben irgend­eine Beziehung zu der Stadt. Sie wur­den dort geboren oder haben mal eine Zeit lang dort gelebt. Solche wie ich, die aus der Ferne infiziert wurden, sind eher selten. Wir von den Clubbe­rern 04 haben momentan 78 Mitglie­der und überlegen gerade, nach einem eigenen Vereinsheim zu suchen, um auch wirklich alle Fernsehübertragun­gen der Spiele des FCN gemeinsam sehen zu können.

Nun sind ja Fans — zumindest teil­weise — dafür bekannt, ziemlich bru­tal aufeinander loszugehen. Viele Spie­le müssen unter starkem Polizeischutz stattfinden. Wie ist das bei den Fans in der Hauptstadt?

Zeising: Da geht alles überaus fried­lich zu. Es gibt sogar ein Tischkicker-Turnier der Fanclubs, einmal im Jahr, in sehr freundschaftlicher Atmosphä­re. Dabei habe ich überhaupt erst die Idee zu meinem Film entwickelt. Dieses Turnier spielt in meinem Dokumentarfilm auch eine große Rolle.


War die Produktion ein gewagtes Projekt?

Zeising: Wir haben bewusst darauf verzichtet, allzu großen technischen Aufwand zu betreiben. Licht und Ton haben wir zum Beispiel so genommen, wie wir es vorfanden. Das verstärkt den dokumentarischen Charakter. Sehr wichtig war, dass die Deutsche Fußball-Liga mit ihrem Förderpool PFi FF geholfen hat — allerdings ohne Einfluss auf den Inhalt zu nehmen!

Was sind die Höhepunkte im Leben eines Exil-Fans?

Zeising: Die Spiele in der Region, für mich also früher in der ersten Liga im Olympiastadion gegen Hertha BSC und jetzt in der zweiten Liga gegen Union im Stadion Alte Försterei. Eines meiner schönsten Erlebnisse überhaupt, das können Sie sich viel­leicht schon denken, war der Pokal­sieg des Club im Mai 2007 gegen die Stuttgarter.

Zeising hofft noch auf den Aufstieg

Und was sagt der Berliner FCN-Fan zur momentanen Lage des Vereins? Steigt Nürnberg wieder auf?

Zeising: Auch wenn es in den bei­den vergangenen Spielen gegen Duis­burg und in Karlsruhe nicht ganz so lief, sollten wir das nicht schlecht­reden. Noch habe ich große Hoffnung, dass es klappt. Ich höre immer, der Abstand zu den beiden ersten Plätzen sei mit sechs beziehungsweise sieben Punkten zu groß, das werde nichts mehr mit dem direkten Aufstieg.

Die­selben Leute sagen mir dann aber, dass der Club vielleicht sogar noch den Platz drei als Relegationsplatz ver­liert. Aber da sind es sieben Punkte Abstand. Nicht sehr logisch, diese Argumentation. (Anm. d. Red.: Dieses Interview wurde vor dem Union-Spiel geführt.)

Der Film "Ferne Liebe" (99 Minuten) wird am 9. Mai um 19.30 Uhr im Z-Bau auf Einladung der Deutschen Akade­mie für Fußball-Kultur gezeigt. Der Eintritt ist kostenlos. Regisseur Martin Zeising wird anwesend sein.

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