Vor 40 Jahren wurden erste Playmobil-Figuren vorgestellt

31.1.2014, 10:32 Uhr
Vor 40 Jahren wurden erste Playmobil-Figuren vorgestellt

© Michael Matejka

„Das ist heute schon meine fünfte Flasche!“ - Der durstige Bauarbeiter mit der rot-weißen Kappe hat es sich zwischen Straßenschildern auf einem Bierkasten bequem gemacht, ein wenig muss man sich Sorgen machen, dass er in seinem Zustand nicht gleich nach hinten kippt. Er prostet seinem grünen Kollegen mit der Spitzhacke zu, der ihn beruhigt: „Macht nichts, es ist genug Bier da.“ Eine Szene wie diese, aus dem Playmobil-Katalog von 1975, würde der Zirndorfer Spielzeughersteller den Kindern von heute wahrscheinlich nicht mehr präsentieren.

Aber damals gehörten zu Bauarbeitern nun mal Bierkästen dazu — und in der Anfangszeit waren die roten Kisten mit den grünen Flaschen bei den Kunden sehr beliebt. Auf einem Werbeprospekt aus demselben Jahr wurden sie gar als Musterbeispiel für eine Schlüsselfunktion hergenommen, die die Playmobil-Figuren auszeichnen sollte: das Greifen.

Denn das Zubehör — das Megafon für den Polizisten, der Schaukelstuhl für den Sheriff — war wichtig. Schließlich hatte der Chef der Zirndorfer Firma „geobra Brandstätter“, Horst Brandstätter, seinen Entwicklungsleiter Hans Beck damit beauftragt, ein Spielzeugsystem zu entwerfen, das sich immer weiter ergänzen lassen sollte. Und wenig Material benötigt — denn die Ölkrise hatte die Preise für Rohkunststoff steigen lassen. Bei „geobra Brandstätter“, die bisher Hula-Hoop-Reifen hergestellt hatten, musste man deswegen umdenken. Die ersten Entwürfe erstellte Beck aus Holz — heute entstehen die meisten Modelle am Bildschirm, die ersten Muster werden bereits mit Hilfe von 3-D-Druckern gefertigt.

Hans Beck, der Vater der Piratenkapitäne, Garde-Husaren, Schlangentänzerinnen und Arktisforscher, nannte seine Kinder auch „Klickys“. Wegen des Geräusches, das entstand, wenn man etwa dem Indianerhäuptling eine Friedenspfeife in die Hand gab. Ein bisschen hüftsteif sind die deutschen Klickys bis heute — im Gegensatz zur amerikanischen Barbie und zum dänischen Lego-Männchen fehlt es ihnen ein wenig an Beweglichkeit.

Panzer sind ein Tabu

Gerne wird das Playmobil-Universum als heile Welt verschrien. Dafür gibt es sicher viele Gründe: Etwa das gutmütige Dauerlächeln der Figuren oder der niedliche Kugelkopf. Und natürlich die Tatsache, dass Playmobil sich von Anfang an geweigert hat, Kriegsspielzeug herzustellen und sich so von seinen Mitbewerbern in den siebziger Jahren absetzte. Auch heute noch sind Panzer und Soldaten ein Tabu, auch wenn es laut Entwicklungsleiter Hane immer wieder Kinder gibt, die sich das wünschen.

Aber das mit der heilen Welt stimmt auch nur zum Teil. Es gibt keine offiziellen Statistiken darüber, wie viele Playmobil-Figuren schon mit angebundenem Chinaböller in die Luft gejagt wurden, wie viele von Indianern skalpiert, von Rittern aufgespießt oder von Piraten entführt wurden. Aber es dürften wohl Millionen sein. Denn beim Spielen setzen sich Kinder mit einer realen Welt auseinander, in der Krieg und Gewalt zum Alltag gehören.

Als es bei Playmobil zum ersten Mal Cowboys geben sollte, wollte Hans Beck sie ohne Pistolen und Gewehre in den wilden Westen schicken. Die Kinder protestierten: Ohne Waffe seien das doch keine echten Cowboys. „Das Spiel der Gegensätze ist ein Grundmuster des Rollenspiels: Gut und Böse, Reich und Arm, Mächtig und Schwach. Kinder wollen in alle Rollen schlüpfen, und das ist auch wichtig“, sagt Bernhard Hane. Auch seinem Vorgänger Hans Beck war es wichtig, dass Kinder nicht nur Einfühlungsvermögen, sondern auch den Umgang mit Macht und Aggression lernen. „Nur so wachsen Kinder zu mutigen, selbstbewussten und gleichzeitig mitfühlenden Erwachsenen heran“, betont Hane.

Keine Lizenzen

Im Gegensatz zum Konkurrenten Lego verzichtet Playmobil darauf, sich teure Lizenzen für Hollywood-Filme, wie „Star Wars“ oder „Der Hobbit“, zu kaufen. Das wirkt auf den ersten Blick vielleicht nicht so cool — hat jedoch den Vorteil, dass das Spielzeug nicht schon nach ein paar Jahren veraltet ist, wenn die Filme längst nicht mehr angesagt sind. Aber vor allem lässt das Raum für die Vorstellungskraft der Kinder. Deshalb ist es für den heutigen Entwicklungsleiter bei Playmobil, Bernhard Hane, auch so wichtig, dass die Figuren keine realistischen Nachbildungen sind. „Kinder müssen genügend Freiraum für ihre Fantasie und ihre Geschichten haben“, sagt Hane: „Playmobil ist Rollenspiel.“

In der Anfangszeit war das sogar noch stärker ausgeprägt: Die ersten Figuren — Ritter, Bauarbeiter und Indianer — schlüpften nur durch das Zubehör in ihre jeweilige Rolle. Nahm man dem Ritter Rüstung, Helm und Schwert ab, war er plötzlich eine neutrale Figur. Erst ab Mitte der Achtziger wurde es technisch möglich, den Männchen Charakteristika, wie etwa eine Augenklappe beim Piraten, schon ab Werk fest anzubringen.

Rund 150 Briefe von Kindern erhält die Entwicklungsabteilung pro Monat — oft mit detaillierten Beschreibungen und Zeichnungen davon, was sich die kleinen Fans wünschen. Beantwortet werden sie laut Playmobil alle. „Ich möchte gern, dass sie Lamas machen. Danke“, hat der kleine Peter-Karl etwa neben sein Bild von einem schwarz-braun gescheckten Tier geschrieben. Zu sehen sind dieser und viele andere Wunschzettel noch bis Juni auf der Playmobil-Jubiläumsausstellung im Historischen Museum der Pfalz in Speyer. „Kinder sind anspruchsvolle Kunden, sie achten auf jedes Detail“, sagt Entwicklungsleiter Hane.

Neben den Wünschen der Kinder ist es bei der Entwicklung von neuen Modellen vor allem wichtig, dass alle Kinder auf der Welt verstehen, worum es bei dem Spiel geht.

„Wir haben einen Exportanteil von über 70 Prozent, da muss man überlegen, ob auch französische, spanische und mexikanische Kinder bei dem Produkt sofort eine Assoziation haben, welche Geschichten sie hiermit spielen können“, erklärt Hane. Kinder in Athen und Berlin, in Mexiko-Stadt und New York, die alle den Playmobil-Bagger-Sand schaufeln, das Feuerwehrauto die Drehleiter ausfahren und den Tierpfleger Panda-Babys füttern lassen. Das hat dann doch wieder etwas von einer heilen Welt. Es sollen fünf  neue PLAYMOBIL-FunStores in Deutschland entstehen.  Der erste wird  bereits in zwei Wochen in Köln seine Tore  öffnen.

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