Gutmütiger Fußballer, nachlässiger Schiedsrichter

27.6.2016, 08:00 Uhr
Gutmütiger Fußballer, nachlässiger Schiedsrichter

© Zink/JüRa

Şafak Çetin war einfach nur neugierig. Wo vielen Jugendlichen ganz andere Dinge den Kopf verdrehen, wollte der junge Şafak nur eines: lernen, lernen, lernen. „Die Regeln haben mich einfach interessiert“, sagt er heute, 15 Jahre später. „Ich wollte einfach alles über den Fußball wissen.“ Also meldete er sich mit einer Handvoll Mitspielern aus der Jugend des FC Stein zu einem Schiedsrichter-Lehrgang an.

Den meisten genügte es, bei den Schulungen einfach nur ein bisschen zu lernen, danach ein paar Jugendspiele zu leiten. Es ist ein harter Weg bis nach oben, man muss ganz unten anfangen, über Jahre dabei bleiben. Das wollten die meisten der jungen Fußballer damals jedoch nicht.

Şafak Çetin aber ist geblieben. Bis heute. Sein erstes Spiel bei den Erwachsenen? So ganz genau erinnert er sich nicht mehr, sagt er. Aber Çetin wäre kein guter Mitarbeiter einer Softwarefirma, wenn er die Vorzüge der Technik nicht zu nutzen wüsste. Jedes Spiel hat er feinsäuberlich in einer Excel-Liste eingetragen, „auch wenn ich die in den vergangenen Jahren nicht mehr ganz so gepflegt habe“.

Ein paar Klicks, ein bisschen scrollen, schon ist das erste Spiel des damals 15-jährigen Schiedsrichters gefunden. „Kalchreuth II gegen Glaishammer II, damals noch in der Reserveliga“, sagt Çetin. Knapp 700 weitere Spiele sollten folgen, von ganz unten ging es für Şafak Çetin tatsächlich fast bis nach ganz oben. Als Linienrichter hat er es bis in die Junioren-Bundesliga geschafft, war bundesweit unterwegs, in Berlin, Dresden und Wattenscheid.

In der Region durfte er Spiele bis zur Landesliga leiten, „aber da wird es echt schwierig, da kommt es auf Details an, wenn man noch vorankommen will“. Şafak Çetin aber kam nicht mehr voran, er war an seinem Limit angekommen. Der Grund: „Ich glaube, dass ich einfach zu sehr Fußballer bin. Wenn es 3:0 steht und einer in der 90. Minute eine Notbremse macht, ist das nach den Regeln eine Rote Karte, selbst wenn das Spiel gelaufen ist.“

Çetin aber kennt auch die andere Seite, er spielt seit Jahren für den TSV Südwest in der Kreisklasse, früher beim ATV Frankonia. Die Schiedsrichterbeobachter, die es auf diesem Niveau natürlich gibt, hätten ihn auf seine Schwäche oft hingewiesen, „ich war einfach zu nachlässig, habe zu viel durchgehen lassen“.

Schöne Momente gab es dennoch sehr viele. Gemeinsam mit seinem „guten Freund“ Benjamin Cortus, der gerade als Schiedsrichter in die Bundesliga aufgestiegen ist, hat er viele Spiele geleitet — darunter auch mehrere Testspiele der SpVgg Greuther Fürth. „Die haben in der Vorbereitung mal gegen einen griechischen Erstligisten und Genclerbirligi aus der Türkei gespielt, das war schon etwas Besonderes“, sagt Şafak Çetin.

Die Profis hat er dabei nicht anders wahrgenommen als die vielen Tausend Amateurfußballer, denen er auf dem Platz begegnet ist. Sehr bodenständig seien viele gewesen, Ausnahmen gibt es wie überall, „da kann man keine pauschale Aussage treffen“.

„Ich war noch nie der Bad Boy“

Inzwischen pfeift er wieder in der Kreisliga, hat aber zuletzt die Pfeife zu Hause gelassen und sich wieder mehr aufs Fußballspielen konzentriert. Spaß will er dabei haben, sagt Çetin, „die Liga ist mir egal“. Als Sportler ist er aber merklich ruhiger geworden, seit er auch die andere Seite kennt. „Ich war auch zuvor nie der Bad Boy“, sagt er, aber seine letzte Gelbe Karte? „Nicht erinnern“ kann er sich an die, „das muss mindestens fünf oder sechs Jahre her sein“.

Wenn er in 15 Jahren Schiedsrichterdasein eines gelernt hat, dann: „Meckern bringt überhaupt nichts, der Schiri wird seine Entscheidung eh nicht mehr zurücknehmen.“ Das hat er auch vergangene Woche wieder beherzigt. Mit seinem TSV Südwest ist Şafak Çetin nach zwei Relegationsspielen in die Kreisliga aufgestiegen.