Halsschlagader-OP: Südklinikum siegt im NZ-Klinikcheck

2.6.2018, 05:54 Uhr
Alles wird gut: Professor Eric Verhoeven klärt eine Patientin auf.

© Anestis Aslanidis Alles wird gut: Professor Eric Verhoeven klärt eine Patientin auf.

Den Tag im Sommer 2012 wird Hedwig P. wohl ihr Leben lang nicht mehr vergessen. Als sie vom Einkaufen nach Hause fährt, ist es heiß in ihrem Auto. Die Rentnerin fühlt sich zunehmend unwohl – vielleicht das Wetter. Doch als sie zu Hause ankommt, das Auto verlässt und mit der Nachbarin sprechen will, spitzt sich die Situation zu. „Ich konnte plötzlich einfach nicht mehr sprechen“, berichtet die heute 76-Jährige. Wenige Minuten später fällt ihr der Aschenbecher ihres Mannes aus der Hand. Ihr rechter Arm fühlt sich taub und kraftlos an.

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Um die Info-Grafik ganz zu sehen, einfach das Bild anklicken. © Melanie Held

Als sie die Symptome kurz darauf ihrem Hausarzt schildert, überweist der Hedwig P. an einen Neurologen. Per Ultraschall stellt er die Ursache ihrer beängstigenden Symptome fest. Beide Halsschlagadern sind stark verkalkt. Seit Jahrzehnten leidet sie unter Bluthochdruck, ihre Mutter verstarb mit Anfang sechzig an den Folgen eines Schlaganfalls. Ein Schicksal, das die Wendelsteinerin ebenfalls hätte treffen können. Bei etwa einer Million Bundesbürger sind eine oder beide Halsschlagadern zu mehr als 50 Prozent verengt. Fachleute sprechen in solchen Fällen von einer Karotisstenose. 

Gesunder Lebenstil beugt Verkalkungen vor

Die Tabelle (anklicken, um sie zu vergrößern) und die Karte unten zeigen die Gewinner des Rankings.

Die Tabelle (anklicken, um sie zu vergrößern) und die Karte unten zeigen die Gewinner des Rankings. © FAU

„Es ist unsere westliche Kultur. Wir essen zu viel, wir haben hohen Blutdruck und zu viel Stress“, beschreibt Professor Eric Verhoeven einige Risikofaktoren. „Außerdem ist Rauchen ein wichtiger Faktor und die Gene spielen eine Rolle“, ergänzt er. Verhoeven ist Chefarzt der Gefäßchirurgie am Klinikum Süd in Nürnberg. Bereits zum dritten Mal in Folge schneiden er und sein Team im NZ-Klinikcheck am besten ab, wenn es darum geht, verkalkte Halsschlagadern zu operieren. Mediziner nennen diesen Eingriff Karotis-Revaskularisation.

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Eine Operation, die jedoch nicht für jeden sinnvoll ist. Viele Patienten spüren – anders als Hedwig P. – keinerlei Beschwerden durch die verengten Halsschlagadern. Dann muss ein erfahrener Operateur entscheiden, ob ein Eingriff indiziert ist. Schließlich ist die Operation nicht ohne Risiko. Bundesweit erleiden etwa drei Prozent der Patienten während der OP an der Halsschlagader einen Schlaganfall oder versterben.

Wer landet auf dem OP-Tisch?

Im Südklinikum ist die Komplikationsrate niedriger. „Das Risiko ist gering, aber es ist nicht null“, fasst Chefarzt Verhoeven zusammen. Daher legt das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen, dessen Auswertungen als Grundlage des NZ-Klinikchecks dienen, besonderen Wert darauf, dass Patienten nicht vorschnell operiert werden. „Macht die Stenose keine Symptome, operieren wir erst ab einer Verengung von 80 Prozent. Wenn Beschwerden bestehen, operieren wir ab einer Verengung von 60 Prozent“, erläutert Verhoeven. Im Video beantwortet er drei Fragen.

Ein eingespieltes Team: Fast 500 OPs im Jahr führen Professor Verhoeven und seine Mitarbeiter jährlich durch.

Ein eingespieltes Team: Fast 500 OPs im Jahr führen Professor Verhoeven und seine Mitarbeiter jährlich durch. © Anestis Aslanidis

Ob und wie stark die Adern verengt sind, lässt sich in der Regel mit einem einfachen Ultraschall klären. „Für Risikopatienten kann es sinnvoll sein, sich vorbeugend untersuchen zu lassen, auch wenn sie sich gesund fühlen“, rät der Chirurg. Wer bereits Symptome hat, sollte binnen zwei Wochen operiert werden. In diesen Fällen ist die Gefahr besonders hoch, dass sich ein Blutklümpchen löst und einen Schlafanfall verursacht.

Erfahrene Operateure senken das Risiko

Zweites zentrales Kriterium für die Qualität der Operationen ist eine niedrige Komplikationsrate. Dass das Klinikum Süd auch hier Topwerte aufweist, führt der Gefäßchirurg vor allem auf die hohe Fallzahl zurück. „Wenn man diese OP fast 500 Mal im Jahr macht, darf man dem Team glauben, dass es weiß, wie es geht.“ Zwar sei auch in kleinen Krankenhäuser die Qualität der OP oft gut, falls es aber doch einmal zu Komplikationen kommt, seien nicht immer Spezialisten aller Fachrrichtungen verfügbar.

468 derartiger Eingriffe führte Chefarzt Verhoeven zusammen mit seinem Team im Jahr 2016 durch. So viele, wie kein anderes Klinikum in Deutschland. Wichtig ist aus seiner Sicht, die gute Kooperation von Chirurgen, Anästhesisten und Pflegepersonal. „Zusammenarbeit ist viel mehr Wert als das Ego eines Einzelnen“, betont er. Zusammenarbeit, die Patienten wie Hedwig P. zugute kommt. Eine Halsschlagader war zu 65 Prozent, die andere gar zu 75 Prozent verengt. Zusammen mit ihren neurologischen Symptomen eine klare Indikation zur Operation.

Nach der OP blieb sie jeweils nur wenige Tage im Krankenhaus – so geht es allen Patienten, die keine Komplikationen erleiden. Die Seniorin ist sich bewusst, vor welchem Schicksal sie der Eingriff womöglich bewahrt hat. Ein Bekannter sei nach einem Schlaganfall zum Pflegefall geworden, sagt Hedwig P. „Seit der OP lebe ich bewusster und habe viel seltener Kopfschmerzen.“ 

Details, Tabellen und Hintergründe zum Forschungsprojekt Klinikcheck finden Sie hier. 

 

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