Hand in Hand für den Frieden

24.1.2013, 10:40 Uhr
Hand in Hand für den Frieden

© Fechter, dpa

Sie beeindruckt. Und sie mobilisiert — auch heute noch, obwohl sie schon seit 30 Jahren im Geschäft ist. Das können nicht viele von sich behaupten. Die Menschenkette schon. Drei Jahrzehnte ist es inzwischen her, dass sich erstmals Menschen bewusst an die Hand genommen haben, um etwas auszudrücken, um zu protestieren. Für ihren Wunsch nach Frieden.

Im englischen Berkshire standen in den 80er Jahren erstmals Mann und Frau, Jung und Alt, aneinandergereiht, um aufzurütteln. Bis zu 80.000 Personen, vereint durch einen Auslöser: die Angst vor einem dritten, nuklearen Weltkrieg.

Zahlreiche Initiativen

Es sind Nuklearwaffen wie die berüchtigte „Pershing II“, die vor allem in Deutschland unzählige Menschen in Existenzangst versetzten. Und zusammenbrachte. „Es entstanden überall im Stadtverbund Friedensinitiativen, im Süden, im Nordosten, überall“, erinnert sich Hans-Joachim Patzelt. Der Nürnberger Stadtrat war damals mittendrin im Geschehen, vorne an der Spitze der Friedensinitiative.

„Wir mussten irgendwo auch versuchen, all diese Bewegungen zusammenzubringen“, sagt Patzelt. Er organisierte — und das insgesamt 20 Jahre lang — die Ostermärsche in Nürnberg, die in der Friedensbewegung der 80er ihren Höhepunkt hatten. „Mit 30.000 Menschen auf dem Egidienplatz. Die Leute mussten sogar auf Seitenstraßen ausweichen.“

Der Auslöser für die zahlreichen Antikriegsaktionen war der Nato-Doppelbeschluss 1979. Darin enthalten: eine Abrüstungsverhandlung zwischen den USA und der Sowjetunion. Aber auch eine Drohung. Scheitern die Verhandlungen, stationieren die Amerikaner nach vier Jahren atomare Mittelstreckenraketen in Europa.

Die Resonanz darauf war 1983, also vier Jahre später, gewaltig. In Deutschland spülte der Protest an nur einem einzigen Tag, dem 22. Oktober 1983, 1,3 Millionen Menschen auf die Straße. Es war der Tag vor dem entscheidenden Bundestagsbeschluss — und der Tag der ersten Menschenkette in Deutschland. Bis zu 400.000 Männer und Frauen (die Zahlen variieren) standen Hand in Hand zwischen Stuttgart und Neu-Ulm — auf einer Strecke von insgesamt 108 Kilometern.

„Es war ein unglaubliches Gefühl“, sagt Birgitta Meier. Sie war damals Teil der menschlichen Riesenschlange, die sich durch Baden-Württemberg zog. Heute leitet sie das Nürnberger Friedensmuseum — und hat dort mit vielen ehrenamtlichen Helfern eine Ausstellung zur Friedensbewegung in den 80er Jahren zusammengestellt. Eine „engagierte und bedeutende Zeit“, sagt sie.

Und stark geprägt durch die Menschenkette. Birgitta Meier zückt ein paar bunte Stoffbänder. Darauf zu sehen sind kleine Figuren, die sich an der Hand halten, einige mit Ballons, andere mit Transparenten: „Wehrt euch!“. „Diese Bänder haben ein paar unserer Mitglieder noch bei sich zu Hause gefunden“, erklärt Birgitta Meier. „Die Bänder wurden für den Fall ausgeteilt, dass nicht genügend Leute an der Kette teilnehmen.“

Gebraucht aber haben die Demonstranten die Bänder nicht. Es kamen mehr als genug. So viele, dass die Kette beinahe nirgends geradlinig verlief, sondern kilometerlang durch das Land mäanderte. „Wir sind mit mehreren Bussen angereist“, erinnert sich Stadtrat Patzelt. Er selbst fuhr mit dem Megafon neben der Kette her, motivierte die Leute zusätzlich.

Motivation, die es damals gar nicht so recht benötigte, sagt Patzelt. Das sei heute sehr viel schwieriger. Dagegen war der Protest in den 80ern gewaltig — und vielfältig, kreativ. Während des Altstadtfests demonstrierte die Friedensbewegung Nürnberg-Nordost von der Pegnitz aus. In zwei Booten hielten sie Transparente hoch, auf einem war zu lesen: „Hans Sachs hätt‘ gsacht, Leut‘. seid g‘scheid — an 3. Weldkriech vermeid“.

Auch außerhalb des Zentrums formierte sich der Protest, beispielsweise in Reichelsdorf, Eibach und Thon. Straßen wurden als „atomwaffenfrei“ gekennzeichnet, beispielsweise die Schoppershofstraße. Auch dafür liegt der Beweis im Friedensmuseum. In den zwar kleinen, aber voll ausgenutzten Räumlichkeiten können Besucher die Friedensbewegung der 80er in vielen Einzelheiten nacherleben.

„Einen zentralen Punkt nimmt die Stadt Nürnberg auch beim Olof-Palme-Friedensmarsch 1987 ein“, erklärt Birgitta Meier. Unter dem Vorsitz des schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme, der 1986 ermordet wurde, arbeiteten ab Anfang der 80er Experten an einem „atomwaffenfreien Korridor“ mitten in Europa. Vorgeschlagen wurde später ein Raum von je 150 Kilometern Breite zu beiden Seiten des Eisernen Vorhangs. Der Friedensmarsch sollte diese Idee unterstützen. Ein erstes internationales Treffen für die Aktion, die danach an 20 Tagen in verschiedenen Ländern und Städten Hunderttausende Menschen zur Demonstration lockte, fand in Nürnberg statt.

„Die Friedensbewegung der 80er war die intensivste Protestzeit überhaupt“, sagt Hans-Joachim Patzelt rückblickend. Ihre Protestformen aber haben bis heute überlebt.
 

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