Hygiene-Mängel im Klinikum: Reinigungskräfte unter Druck

19.7.2017, 05:55 Uhr
Im Klinikum Nürnberg Süd sind die Probleme mit dem Putzpersonal offenbar schon länger bekannt.

© dpa Im Klinikum Nürnberg Süd sind die Probleme mit dem Putzpersonal offenbar schon länger bekannt.

Peter Schmitt-Moritz ist bei Verdi für die Kliniken in Mittelfranken zuständig. "Probleme mit dem Reinigungsdienst ploppen aber nur im Klinikum Nürnberg immer wieder hoch", sagt er. Und das seit Jahren. "Die Arbeitsverdichtung ist für die Mitarbeiter immens, sie stehen unter einem riesigen Druck." Ein hoher Krankenstand sei die Folge. Ein und derselbe Lappen, mit dem vom Bad ins Patientenzimmer gewischt wird, Staub auf den Regalen und Nachtkästchen, die erst nach über zwei Wochen mal grob abgewischt werden: veranlasste viele Leser, ähnliche Beobachtungen zu schildern.

Markus Wabnitz brachte seinen siebenjährigen Sohn nachts mit Verdacht auf Gehirnerschütterung ins Südklinikum. "Er schlief in einem Vierbettzimmer, am nächsten Tag wurden die anderen drei Kinder entlassen, eines hatte eine Magen-Darm Erkrankung gehabt, aber über sein Nachtschränkchen wurde nur mal kurz gewischt, mich hat es gegraust". Tatsächlich sollten bei einem Patientenwechsel laut Klinikumsvorstand Alfred Estelmann die Nachtschränkchen außerhalb des Zimmers speziell gereinigt werden.

Reinigungsqualität leidet

Verdi-Mitarbeiter Peter Schmitt-Moritz wundern Berichte über ungeputzte und nicht fachgerecht gereinigte Bereiche in den Patientenzimmern des Nürnberger Klinikums nicht. "Das Klinikum hat in den letzten Jahren nicht den gesteigerten Augenmerk auf die Reinigungsqualität gehabt", sagt er. Dass die 1999 gegründete Klinikum Nürnberg Service-Gesellschaft, eine Tochter des städtischen Klinikums, "von der Führung und von der Struktur nicht problemfrei läuft, ist bekannt", bestätigt Verdi-Bezirksgeschäftsführer Jürgen Göppner. Viele Kliniken haben die Reinigung in eine Service-GmbH ausgelagert, diese Konstruktion ermöglicht es, die Mehrwertsteuer zu umgehen. "Viele Kliniken wollen an der Kostenschraube drehen und an den nichtweißen Bereich, also an alles, was nicht unmittelbar mit der medizinischen Behandlung zu tun hat, geht man als erstes ran", ergänzt Göppner.

Klinikvorstand Estelmann bestreitet das auch gar nicht. Göppner sieht bei der Klinikhygiene auch die Politik in der Pflicht. "Wenn es für Krankenhäuser immer weniger Zuschüsse gibt, müssen diese eben bei den Betriebskosten sparen." Den Angestellten der Service-GmbH des Nürnberger Klinikums helfen Appelle an die Politik nicht. Sie sei froh, dass die Mängel endlich ans Licht kommen, schreibt eine Mitarbeiterin, die im Südklinikum reinigt, an die Redaktion. Die meisten Kollegen seien alleine für vier bis sechs Stationen zuständig, sie putzten nicht nur die Zimmer, sondern auch Lagerräume, schieben Betten und Essenswägen. Das sei Akkordarbeit, schreibt sie weiter.

Rauer Ton gegenüber Mitarbeitern

Peter Schmitt-Moritz weiß, dass der Ton in der Service-GmbH zuweilen rüde ist."Es gibt Druck von oben, das ist sehr personenabhängig." Vorstand Estelman gibt zu, dass "der Ton im Reinigungsbereich etwas rauer ist". Mit wertschätzender Kommunikation komme man nicht immer weiter. 2015 habe man, nach Jahren erfolgloser Gespräche mit dem Klinikum, einen Haustarif aushandeln können, sagt Schmitt-Moritz. Der Stundenlohn liege bei 10, 64 Euro und damit 64 Cent über dem üblichen Branchentarif.

Eine Fachkraft aus dem Klinikum Nürnberg habe ihm berichtet, dass sich die Arbeit in den letzten 15 Jahren verdoppelt habe, berichtet Marcus Pinsel, Obermeister der Gebäudereiniger-Innung Nordbayern. Auf dem Markt herrsche ein harter Verteilungskampf. Bei Ausschreibungen gehe es nur um den wirtschaftlichsten Preis. Doch das Reinigen in Krankenhäusern ist besonders sensibel.

Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene nennt bei den Gründen dafür, warum jährlich zwischen 10.000 und 15.000 Menschen an Krankenhausinfektionen sterben, bereits an zweiter Stelle Einsparungen bei der Reinigung. "Es gibt keinen sterilen Dreck", sagt Jutta Lausecker. Sie ist beim Nürnberger Gesundheitsamt für die Krankenhaushygiene zuständig.

Wichtig sei, dass alles, was Kranke anfassen, desinfizierend gereinigt wird. Also Türgriffe, Stühle, Tisch, Nachtkästchen und Bett. Unwichtiger sei die Bodenreinigung. Lausecker bestätigt: "Kliniken sparen am Reinigungspersonal, aber wer keinen anständigen Lohn zahlt, bekommt auch keine guten Leute."

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