Immer mehr Nürnberger Kinder fallen durch Radprüfung

23.1.2018, 06:00 Uhr
Die meisten Kinder haben beim Fahrradfahren Probleme mit dem Gleichgewicht oder der Konzentration.

© Jens Kalaene/dpa Die meisten Kinder haben beim Fahrradfahren Probleme mit dem Gleichgewicht oder der Konzentration.

Immer mehr Kinder tun sich beim Radfahren schwer. Mittlerweile ist es keine Seltenheit mehr, wenn die Hälfte oder mehr Grundschüler einer Klasse bei der Fahrradprüfung in der 4. Klasse durchfällt. Das jedenfalls beobachten die Verkehrserzieher der Polizei. Im voherigen Schuljahr 2016/2017 erreichte dieser Trend in Nürnberg einen traurigen Tiefpunkt: Von den 4210 Kindern, die geprüft wurden, fielen 1521 durch und mussten ohne den begehrten Wimpel der Verkehrswacht nach Hause gehen. Im Schuljahr 2009/2010 waren es von 4218 geprüften Kindern noch 1069, die den Praxistest nicht schafften.

Abgesehen davon steigt selbst die Zahl der Kinder, die zur Prüfung überhaupt nicht Radfahren können. Auffällig: Es sind vor allem Mädchen, teilweise mit Migrationshintergrund, die gar nicht Radeln können. Doch woran scheitern Grundschüler in der 90-minütigen Prüfung überhaupt? "Den Verkehrserziehern fällt auf, dass die Prüflinge Probleme mit der Konzentration haben. Außerdem können viele das Gleichgewicht nicht halten, es fehlt an Körperbewusstsein. Ei nige haben auch Angst, sich umzudrehen und im Fahren den Lenker für ein Handzeichen kurz loszulassen", beschreibt es Polizeipressesprecherin Elke Schönwald. Dem Nachwuchs fehle es einfach an Übung.

Konzentration fehlt

Dass Kinder sich zunehmend immer weniger konzentrieren können, bestätigt auch Susanne Kaufmann, Leiterin der Grundschule an der Bismarckstraße im Stadtteil Rennweg. "Je später am Tag die Fahrradausbildung läuft, desto schwerer tun sich manche mit der Konzentration", sagt sie. "Vor 20 Jahren ist es Schülern in der 5. und 6. Stunde noch leichter gefallen, aufmerksam zu sein." Für sie steht fest: In der Stadt gebe es immer weniger Übungsmöglichkeiten, rückläufig sei auch, dass Eltern mit ihren Kindern Radfahren üben.

Ähnlich sieht das auch Susanne Prechtl, Rektorin der Wahler schule im Stadtteil Schniegling. "Der Raum für die Kinder zum Üben wird in der Stadt nicht mehr", stellt sie fest. Die Schulen aber hätten keine Zeit, dem Nachwuchs das Radfahren beizubringen. Das müssten sie in ihrer Freizeit lernen, sprich: mit den Eltern. Doch in der Freizeit seien die Kinder oft mit anderen Dingen be schäftigt. Etwa mit den neuen Medien, Facebook, Twitter und Co. 

Keine Verwunderung

Jens Ott, Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) Nürnberg, wundert es nicht, dass immer weniger Kinder die Fahrradprüfung bestehen. "Die Übung in den Familien hat nachgelassen. Wenn es dort aber nicht geschieht — wo sonst?" Er halte gar nichts davon, das Training auszulagern und Kinder in Fahrradkurse zu stecken. "Die Eltern sind in der Pflicht und sollten mit ihren Kleinen trainieren", sagt er. Eine aktuelle Gesetzesänderung erleichtere schließlich den Eltern, mit ihrem Nachwuchs in der Stadt zu üben.

Bisher war es so: Kinder unter acht Jahren mussten mit dem Rad auf dem Gehweg fahren, Eltern durften das aber nicht. Sie mussten auf der Fahrbahn radeln, den Blick auf den Spross gerichtet. "Das war ein Problem, weil sie zum Beispiel durch parkende Autos am Straßenrand den Kontakt zu ihren Kleinen nur schwer halten konnten." Nach der Gesetzesänderung im vergangenen Jahr dürfen jetzt auch Mama und Papa mit dem Rad auf dem Bürgersteig fahren.

Grünen-Stadträtin Elke Leo findet es "erschreckend", dass immer mehr Kinder die Fahrradprüfung nicht schaffen. "Wenn die Stadt schon das Prädikat 'fahrradfreundliche Kommune' trägt, sollte sie sich mit großer Ernsthaftigkeit darum kümmern, Kindern den Zugang zum Radfahren zu ermöglichen." Die Öko-Partei fordert im zuständigen Ausschuss von der Verwaltung ein Konzept, das Fahrradfahrlernkurse für Grundschüler er möglicht.

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