Kein Kopftuch an der Ladenkasse

20.5.2015, 20:30 Uhr

Was jemand im Kopf hat, ist wichtiger als das, was er auf dem Kopf trägt — diesen Satz würde sicher jeder unterschreiben. Allerdings nicht, wenn es um muslimische Kopftücher geht. Seit das Bundesverfassungsgericht im Januar 2015 den beiden Lehrerinnen recht gab, die gegen das Kopftuchverbot an ihren Schulen geklagt hatten, werteten dies viele als Gewinn für eine weltoffene Gesellschaft.

Umgekehrt halten nicht wenige das Kopftuch für ein Symbol der Unfreiheit, gar für eine verpasste Chance zur Integration. Doch all das, was in dem Streit um das kleine Stückchen Stoff mitschwingt, will die Firma Drogeriemarkt Müller aus dem Arbeitsprozess heraushalten. Die Firma pocht auf ihr Direktions- und Weisungsrecht, welches Regeln für das Verhalten und die Bekleidung der Arbeitnehmer festlegt. Dies klingt angemessen, sollen die Mitarbeiter doch nicht Kaugummi kauen, im Jogginganzug zur Arbeit kommen oder Kopfbedeckungen, wie etwa eine Baseballmütze, tragen.

Bezahlt zu Hause

Doch die Frage ist, ob Fatima M., (Name geändert) diese Regeln überhaupt ausgehändigt bekommen hat und ob sie nicht gleichwohl mit einem Kopftuch Kunden beraten könnte – denn schwer wiegt auch die durch das Grundgesetz geschützte Glaubensfreiheit der Arbeitnehmerin, wie Andreas Bartelmeß, Rechtsanwalt der Fatima M. (31), betont. Seit dem Jahr 2002 ist sie in Westmittelfranken in der Drogerie beschäftigt. Als sie im Oktober 2014 nach knapp drei Jahren aus der Elternzeit zurückkehrte, trug sie ein Kopftuch. Ihre Vorgesetzte schickte sie nach Hause, seither saß Fatima M., bezahlt freigestellt, daheim. Doch die junge Mutter will arbeiten und ihre Stelle behalten. Müller, vertreten durch die Rechtsanwälte Menold Bezler, pocht dagegen auf Neutralität. „Religiöse Themen“ wolle man im Betrieb nicht. Diese Haltung wird begründet mit der Weigerung eines muslimischen Mitarbeiters, einer Frau die Hand zu geben, und einer Zeugin Jehovas, die keine Spielsachen kommissionierte. So wird Fatima M. vorgeschlagen, künftig Inventurarbeiten zu verrichten und etwa den Parfümbestand zu zählen. Doch sich im Lager vor den Kunden verstecken lassen will sich Fatima M. nicht.

Ihr wird zugesichert, dass die Inventur vor allem in den Verkaufsräumen stattfindet; so lässt sie sich auf diese Lösung des Konflikts ein — zunächst soll dies als mehrwöchiger Probelauf stattfinden. Logisch klingt es nicht, dass sie zwar als Verkäuferin nicht mehr gewünscht ist, aber im Verkaufsraum bleiben darf. Vielleicht denkt Richter Michael Reiser, der Vorsitzende Richter der 8. Kammer des Arbeitsgerichts Nürnberg, auch daran, als er betont, lieber „Alles Gute“ zu wünschen, statt „Auf Wiedersehen“.

Keine Kommentare