Kommentar: Warum die Quelle nicht abgerissen werden darf

4.2.2014, 12:00 Uhr
Sieger beim im April 2011 ausgelobte Ideenwettbewerb "Ehemaliges Quelle Areal" wurde der Entwurf dreier Büros aus Erlangen, Emskirchen und Fürth.

© Sippel Sieger beim im April 2011 ausgelobte Ideenwettbewerb "Ehemaliges Quelle Areal" wurde der Entwurf dreier Büros aus Erlangen, Emskirchen und Fürth.

Der Quelle-Komplex entstand  in zwei Abschnitten zwischen 1954 und 1968: Stück für Stück künden sie von dem wirtschaftlichen Erfolg des Versandhauses. Doch Gustav Schickedanz wollte kein Allerweltsgebäude. Der Selfmademan wollte zeigen, welchen Reichtum er mit dem Geld der kleinen Leute verdient hatte, denen er dank Ratenzahlung den Wunsch nach zumindest einem kleinen Stück des Wirtschafswunderkuchens erfüllte. Nicht irgendein Architekt, sondern Ernst Neufert, der Industrie-Architekt der 1930er Jahre und der Nachkriegszeit und Verfasser der Bauentwurfslehre, das bis heute als Standardwerk gilt, entwarf den Bau. Seit 2006, also drei Jahre vor der Quelle-Pleite, steht die Versandmaschine unter Denkmalschutz.

Glücklicherweise richtet sich dieser nicht nach dem persönlichen Geschmack oder dem ästhetischen Zeitgeist. Wohin das führen kann, zeigt ein Blick in die große Zeit der Quelle. In den 60er Jahren rollte noch die zweite große Zerstörungswelle über Nürnberg hinweg. 330 historische Gebäude hatten die Bombennächte des zweiten Weltkriegs überstanden. 1972 waren es noch 250. Andere Häuser wurden zwar nicht abgerissen, aber verstümmelt. Jugendstil-Ornamenten rückte man mit dem Hammer zuleibe. Um sich des Nazierbes Reichsparteitagsgelände zu entledigen, plante man den Totalabriss und die Errichtung eines modernen Uni-Campus – passend zum Zeitgeist der Bildungsexpansion.
 

Für all dies gab es gute Gründe. Letztlich sind es dieselben wie heutzutage. schlechte Bausubstanz, ungünstiger Raumschnitt, hässlich. Also weg mit dem alten Gelump!
 

Um zu sehen, dass es anders geht, muss man nur den Blick von der Quelle auf die andere Straßenseite wenden. Auf der Industriebrache AEG hat sich dank vorrauschauender Entwicklung mit einem langfristigen Konzept etwas getan. Auch dort begann es mit der Einrichtung von Künstler-Ateliers und anderen eher finanzschwachen Mietern, die aber dafür sorgen, dass zumindest wieder Leben einkehrte. Denn Leerstand ist der Tod eines jeden Gebäudes - siehe Volksbad.
 

Weshalb soll bei der Quelle nicht möglich sein, was bei AEG funktioniert hat? Die ersten Schritte sind doch schon längst getan. Seit November 2011 liegen die Ergebnisse  eines städtebaulichen Wettbewerbs vor.  Der Siegerentwurf  sei eine  "robuste Leitlinie", um das ehemalige Versandzentrum zukunftsfähig und qualitativ hochwertig mit Leben zu füllen, lobte Baureferent Wolfgang Baumann, der übrigens CSU-Mitglied ist. Nach dem Ende des Kommunalwahlkampfs kennen vielleicht auch Baumanns Parteifreunde, allen voran Strippenzieher Markus Söder, noch ein anderes Ziel, als nur die Stadtverwaltung als untätig und unfähig darzustellen.


Sicher, der Abriss des Versandzentrums und die Beplanung einer leeren Fläche sind einfacher und - vielleicht - günstiger als die Entwicklung des bestehenden. Im besten Fall erhält man ein Gebäude, das funktional auf der Höhe der Zeit ist. Und in 50 Jahren diskutieren wir darüber, ob die "hässliche" 2020er-Architektur  wirklich erhalten werden muss. Nachhaltig geht anders.   


Lesen Sie hierzu auch den Kommentar für den Abriss des Quelle-Komplexes: "Quelle-Gebäude soll Neuem weichen". Was ist Ihre Meinung? Unter dem Artikel Nürnbergs Zankapfel "Quelle": Abriss oder Erhalt?  können Sie mit anderen Lesern diskutieren.

Verwandte Themen