Kreuzottern am Hafen sorgen für Diskussionen

24.5.2013, 06:58 Uhr
Kreuzottern am Hafen sorgen für Diskussionen

© Distler

An der Schleuse Eibach und dem angrenzenden Waldgebiet Hafen/Wiener Straße hat sich in den vergangenen Jahren eine der größten Kreuzotter-Populationen Bayerns entwickelt. Die geschützten und — generell in ihrem Bestand sehr gefährdeten — Tiere finden hier mit einem Hang zum Sonnen, Sträuchern als Versteck sowie der Waldnähe gute Lebensbedingungen. So gut, dass Spaziergänger von einer „gefährlichen Häufung der Giftschlangen“ sprechen.

Vor einigen Tagen hatten Tierschützer sieben getötete Vipern gefunden (wie gestern berichtet). Eine Aktion, von der sich Anwohnerin Ulrike Weiß ganz entschieden distanziert: „Wir lehnen eine derartige Vorgehensweise ab. Aber wir sind sehr besorgt über die starke Vermehrung der Kreuzottern. Man kann von Glück sagen, dass bislang noch kein Kind gebissen wurde. Einige Hunde hat es in den vergangenen Jahren dagegen schon erwischt.“ Sie sieht einen starken Interessenskonflikt zwischen Kindergarten-Gruppen, Spaziergängern und Hundehaltern auf der einen Seite und Umweltschützern wie dem Landesbund für Vogelschutz auf der anderen Seite. „Es muss unbedingt ein verträglicher Kompromiss gefunden werden“, meint Weiß, die in drei Tagen 120 Unterschriften für ihre Initiative gesammelt hat. 

Ein Teil der Giftschlangen, so ihr Vorschlag, solle ins Steiner Terrarium oder in ein neues Biotop, um die Schlangendichte an der Schleuse zu verringern. Man muss keine zwei Meter gehen, schon stößt man auf die Ottern. Sie liegen sogar auf dem Weg herum“, meint die Anwohnerin. Schmerzhafte Erfahrungen hat vor zehn Tagen der Gordon Setter von Dagmar Häuser gemacht: „Ich kenne die Schlangen schon lange, darum weiche ich den üblichen Stellen aus“, erzählt die Hundehalterin, „aber diesmal lag eine ganz ungewöhnlich nahe am geschotterten Weg.“

Ihr Hund schnupperte — und schon hatte ihn eine Schlange in die Nase gebissen, die umgehend kräftig angeschwollen ist. Bei der Tierklinik am Hafen erhielt der Vierbeiner eine Schocktherapie und antibiotische Medizin, außerdem blieb er über Nacht in ärztlicher Beobachtung. Dagmar Häuser betont, dass sie nicht wegen ihres Hundes jammert, sondern dass sie die Sicherheit von Kindern und älteren Menschen absolut vorrangig hält. In den vergangenen Jahren behandelte die Tierklinik immer wieder Hunde mit Kreuzotter-Bissen, doch eine Häufung kann Mitarbeiterin Jasmin Pelzel nicht feststellen: „Es sind keine fünf Fälle pro Jahr.“ 

Veterinär Dr. Michael Heiden von der Tierärztlichen Klinik Nürnberg Hafen betont, dass ein Kreuzotter-Biss grundsätzlich gefährlich ist, weil immer die Möglichkeit einer allergischen Reaktion besteht. Mit Infusionen hält der Mediziner den Kreislauf aufrecht, Kortison soll gegen Schwellungen und ein Antibiotikum gegen Entzündungen helfen.

„Wir machen Schockbehandlung. Ein universales Antiserum setzen wir aber nicht ein, da die Gefahr von Nebenwirkungen genauso groß ist wie beim Gift der Kreuzotter“, erklärt der Tierarzt. Wird ein Mensch gebissen, solle man nicht in Panik verfallen, sondern ruhig die nächste Klinik aufsuchen. Menschliche Todesfälle sind sehr selten. Allerdings kann das Gift für Kinder und ältere Menschen durchaus bedrohlich werden. 

Bianca Fuchs vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) begrüßt die Forderung nach einem weiteren Biotop für Kreuzottern. Eine Umsiedlungsaktion hält sie allerdings für wenig sinnvoll. Die Forstingenieurin sagt, dass die Schlangen keinesfalls aggressiv sind, sondern nur zubeißen, wenn sie sich in die Enge getrieben fühlen. Aufmerksamkeit und ruhiges Ausweichen seien wichtige, vorbeugende Verhaltensweisen. Der LBV versucht seit langem, in der Bevölkerung ein Bewusstsein für die gefährdeten Schlangen zu entwickeln, die auf der Roten Liste der sehr bedrohten Arten stehen.

Am Donnerstag forderte der Landesbund in einer Pressemitteilung alle Beteiligten auf, den „entflammten Konflikt zu entschärfen“. Die Naturschützer schlagen vor, die im Grunde optimalen Sonnenplätze der Kreuzottern an der Dammkrone in wegfernere Bereiche zu verlagern, damit es nicht zu plötzlichen, unliebsamen Begegnungen von Menschen, Hunden und Schlangen kommt. Andererseits sollten Eltern ihren Kindern die Situation erklären und Hundebesitzer ihre Vierbeiner in den betroffenen Arealen anleinen.

Es sei sehr bedauerlich, so Lbv-Sprecherin Bianca Fuchs, dass Spaziergänger in Unkenntnis der Sachlage von einer „gefährlichen Zunahme“ sprechen und Anwohner Unterschriften gegen die „grundsätzlich harmlose und friedfertige Art“ sammeln. Die kleine, bislang noch stabile Population von Kreuzottern am Hafen biete vielmehr faszinierende Möglichkeiten zur Beobachtung und stelle ein einzigartiges Naturjuwel im Großraum dar.

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