Leckeres Drei-Gänge-Menü mit „Wohlfühlfaktor“

27.6.2016, 08:00 Uhr
Leckeres Drei-Gänge-Menü mit „Wohlfühlfaktor“

© Roland Fengler

Wenn gläubige Muslime im Ramadan von Sonnenaufgang bis -untergang auf das Essen und Trinken verzichten, dann unter anderem auch, um einmal am eigenen Leib zu spüren, wie es ihren ärmeren Mitmenschen ergeht. Eine Lektion, die die Ehrenamtlichen der Begegnungsstube Medina nicht nur verinnerlicht haben, sondern auch in die Tat umsetzen. Denn während viele ihrer Glaubensbrüder jeden Abend beim Fastenbrechen unter ihresgleichen bleiben, bitten die Ehrenamtlichen von Medina dort zu Tisch, wo sonst keiner hingeht: in der Wärmestube der Stadtmission.

Dass unter den obdachlosen Männern und Frauen gar keiner fastet, ist dem Verein, der sich für den christlich-islamischen Dialog engagiert und ein kleines, aber feines orientalisches Museum in der Südstadt betreibt, dabei herzlich egal. Medina-Vorsitzender Ali-Nihat Koç, der als Muslim selbst fastet, betont: „Es geht im Ramadan nicht nur um den persönlichen Verzicht, sondern auch darum, mit anderen Menschen zu teilen.“

Darum krempeln er und seine — meist ebenfalls fastenden — Vereinsmitglieder jedes Jahr gern die Ärmel hoch und tischen den Obdachlosen ein orientalisches Drei-Gänge-Menü auf, das keine Wünsche offenlässt. Von der Suppe bis zum Salat, vom deftigen Hauptgang mit Fleischeinlage bis zum leckeren Nachspeisenteller, der mit türkischem Süßgebäck gespickt ist, wird dafür alles frisch zubereitet. Bis zu zehn Frauen aus dem Verein sind an der Kochaktion, die schon am Tag vorher beginnt, beteiligt.

Das kulinarische Ergebnis stößt bei den rund 100 Männern und Frauen, die der Einladung heuer gefolgt sind, auf Begeisterung: „Lecker“, rufen viele den türkischen Köchinnen aus der Ferne spontan zu, andere recken den Daumen in die Höhe. János K. steht nach dem ersten Gang sogar extra auf und fängt Organisator Ali-Nihat Koç ab, um ihm seine Meinung kundzutun. „Die Tomatensuppe hat fast so gut geschmeckt wie in Ungarn“, schwärmt er — das wohl höchstmögliche Lob aus dem Munde eines Magyaren wie K.

Ausgelassene Stimmung

Was bei den Anwesenden fast noch besser ankommt als die Suppe oder die folgenden Gänge, ist der Rundum-Service. Statt sich an der Essensausgabe anstellen zu müssen, können es sich die Männer und Frauen direkt an den Tischen bequem machen und werden von den Ehrenamtlichen bedient. Fast wie im Restaurant, findet Wärmestuben-Leiterin Manuela Bauer und lobt den „Wohlfühlfaktor“ der Aktion: „Man spürt sofort die ausgelassene und freundliche Stimmung“, sagt Bauer. Bei einer normalen Essensausgabe mit langen Warteschlangen sehe das auch schon mal anders aus.

Ein Unterschied, den auch Markus M. positiv hervorhebt: „Es ist toll, was die hier machen“, sagt der 55-Jährige, der es sichtlich genießt, auch einmal bedient zu werden. Dass viele Kinder und Jugendliche unter den freiwilligen „Servicekräften“ sind, gefällt ihm besonders. Am meisten imponiert Markus M., der seit etwa einem Jahr in die soziale Einrichtung kommt, aber der lange Atem der Organisatoren: „Als ich vor mehr als zehn Jahren schon mal auf die Wärmestube angewiesen war, habe ich auch hier am Fastenessen teilgenommen.“

Koç, der sich zu dessen Freude und Überraschung sogar an Markus K. erinnert, weiß es ganz genau: „Wir kommen inzwischen seit 15 Jahren in die Wärmestube“, berichtet er. Als er beim Aufräumen in der Küche feststellt, dass noch reichlich Essen übrig geblieben ist, obwohl heuer sogar etwas mehr Menschen bewirtet wurden als im Vorjahr, zuckt er nur entspannt mit den Schultern und deutet auf seine Armbanduhr. „Den Rest lassen wir uns in einigen Stunden, wenn die Sonne untergeht, einfach selbst schmecken. Wäre sonst doch schade um das prima Essen!“