Nürnberger veröffentlichte die erste deutsche Koranübersetzung

8.5.2013, 14:15 Uhr
Nürnberger veröffentlichte die erste deutsche Koranübersetzung

© Stefan Hippel

Wer in die Türkei fliegt, bringt meist nur Fotos und Souvenirs mit nach Hause. Ganz anders Salomon Schweigger, der Anfang 1576 mit einer Gesandtschaft an den Hof des osmanischen Sultans in Istanbul aufbrach: Von dort brachte er die „Newe Reyssbeschreibung auss Teutschland nach Constantinopel“ mit nach Hause, in der er Eindrücke zusammenfasste, die er über Jahre hinweg am Bosporus und auf weiteren Reisen bis nach Jerusalem gesammelt hatte.

Den historischen Reiseführer, der einen faszinierenden Einblick in die fremde Welt des Orients gewährt - vom Alltag am Hof bis hin zu Musik, Sitten und dem „Bekanntnus der Türcken zu Gott und ihrem Mahomet“ —, hat Schweigger 1606 in Nürnberg veröffentlicht, wo er im Jahr zuvor Pfarrer an der Frauenkirche wurde. Mindestens so stark wie die Neugierde seiner Zeitgenossen in Deutschland lag dem reiselustigen Kirchenmann auch das Seelenheil seiner Glaubensbrüder am Herzen, denen er auf seinem Weg durch Anatolien begegnet war. Für sie übersetzte er kurzerhand den Katechismus ins Italienische.

Religionshistorisch viel interessanter als „Il Catechismo“ war allerdings ein ganz anderes Werk, das Salomon Schweigger aus dem Italienischen ins Deutsche übersetzt hat: „Alcoranus Mahometicus - Das ist: der Türcken Alcoran, Religion vnd Aberglauben“, so betitelte er die erste gedruckte Koran-Übersetzung in deutscher Sprache, die er 1616 in Nürnberg veröffentlichte - mehr als ein Vierteljahrtausend bevor die „Türcken“ selbst 1874 erstmals in Istanbul ihre eigene Heilige Schrift zu drucken begannen.

Der Zweck der frühen Nürnberger Pionierleistung war natürlich ein anderer als bei solchen muslimischen Produktionen und lässt sich bereits dem Deckblatt von Schweiggers Werk unmissverständlich entnehmen. Es soll dem Leser nämlich zeigen, „wann unnd woher ihr falscher Prophet Machomet seinen Ursprung oder Anfang genommen, mit was Gelegenheit derselb diß sein Fabelwerk, lächerliche und närrische Lehr gedichtet und erfunden“ habe. Der Koran aus Franken als war also als Handreichung für christliche Gotteskrieger gedacht.

Die Irrlehren entlarven

Denn angesichts der scheinbar unaufhaltsam vorrückenden Heere der Osmanen, die sich in vielen Türken-Kriegen bis vor die Tore Wiens und Süddeutschlands gekämpft hatten, galt es, die „Irrlehren“ des Feindes zu entlarven, berichtet Hartmut Bobzin. Ein Motiv, das laut dem Erlanger Professor für Islamwissenschaft bereits Martin Luther bewegte. Als der Drucker Johannes Oporinus 1543 in Basel für einige Tage inhaftiert wurde, weil er eine lateinische Übersetzung herstellte, intervenierte Luther persönlich bei den Basler Ratsherren, damit sie die Publikation erlauben.

Das Werk „Theologia Mahometis“, das Johann Albrecht von Widmanstetter etwa zur selben Zeit in Nürnberg drucken lassen wollte, sei durch „die Schuld der Buchhändler und auf Befehl des Nürnberger Senats verdorben worden“, klagte der Ulmer Gelehrte und Diplomat damals bitter, „hauptsächlich dort, wo er die Häresie der Lutheraner zu berühren schien.“ Das Buch, das neben übersetzten Koran-Stellen antiislamische Anmerkungen Widmanstetters umfasste, wäre laut Bobzin beim Vorgänger der Buchhandlung Korn&Berg am Hauptmarkt gedruckt worden.

Schweigger, dem es ein halbes Jahrhundert später gelang, sollte 1616 somit der Erste sein, der einen Koran in Nürnberg drucken ließ -aber nicht der Letzte bleiben. David Nerreter, ebenfalls ein Theologe, veröffentlichte 1703 im Rahmen einer Trilogie über die drei monotheistischen Religionen die „Neu-eröffnete mahometanische Moschea“, inklusive einer vollständigen Übersetzung des Korans - und natürlich der obligatorischen Widerlegung desselben.

Der Weg von der Polemik zu poetisch inspirierten Übersetzungen der Heiligen Schrift der Muslime war lang. Aber das literarische und wissenschaftliche Interesse an ihrem Inhalt wuchs im selben Maße, wie die Bedrohung durch Muslime nachließ, berichtet Hartmut Bobzin. Der Islam-Wissenschaftler von der Uni Erlangen hat die von ihm so akribisch herausgearbeitete Tradition der fränkischen Koran-Übersetzer übrigens auch gleich selbst fortgesetzt: Seine komplett neue Übersetzung aus dem Arabischen ist 2010 im C.H.Beck-Verlag erschienen.

Schweiggers Bücher sind Teil der historischen Sammlung in der Stadtbibliothek und können dort im Lesesaal eingesehen werden.
 

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