Säurezünder: Darum sind Fliegerbomben so gefährlich

29.7.2019, 13:39 Uhr
Langzeitzünder bei Fliegerbomben sind besonders perfide (zum Vergrößern bitte anklicken).

© nordbayern.de Langzeitzünder bei Fliegerbomben sind besonders perfide (zum Vergrößern bitte anklicken).

Die Heimtücke von Fliegerbomben mit chemisch-mechanischen Langzeitzündern, umgangssprachlich auch Säurezünder genannt, wurde von der Propaganda der Nationalsozialisten besonders angeprangert, und bis heute wird diskutiert, ob ihr Einsatz ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit war. Ziel dieser Sprengkörper war es, mit Explosionen ohne jede Vorwarnung die Moral der Menschen endgültig zu brechen.

Im Gegensatz zu den technisch wesentlich einfacheren Aufschlagzündern sollten Säurezünder die Detonation einer Bombe hinauszögern, wobei diese Verzögerung wenige Minuten, aber auch mehrere Tage betragen konnte. Die Sprengladung sollte erst dann gezündet werden, wenn die Zivilbevölkerung wieder aus Kellern und Luftschutzbunkern herausgekommen war. Außerdem sollten diese Bomben Lösch- und Bergungsarbeiten behindern oder ganz unmöglich machen. Und heutzutage stellen diese tückischen Kriegsinstrumente Bombenentschärfer vor zusätzliche Herausforderungen.

Am häufigsten setzten die Alliierten Zeitzünder mit einer mit Aceton gefüllten Glasampulle und Zelluloidplättchen ein. Wenn das Glas beim Aufprall der Bombe zerbrach, begann ein chemischer Zersetzungsprozess. Das Aceton zerfraß nach und nach die Plättchen, die eine gespannte Feder zurückhielten. Konnten die Zelluloidscheiben, deren Anzahl und Dicke je nach der gewünschten Verzögerungszeit variierten, die Feder nicht mehr halten, schnellte diese mit einem Metallbolzen Richtung Sprengstoff – die Bombe explodierte.

Um zu vermeiden, dass solche Fliegerbomben vor Ablauf der Verzögerungszeit durch Herausschrauben des Zünders entschärft werden, waren in manchen Modellen Ausbausperren eingebaut. Beim Versuch, die Bombe zu entschärfen, detonierte diese sofort.

Tückische Korrosion

Oft aber blieb der Acetonbehälter intakt, zum Beispiel wenn die Bombe auf weichem Untergrund aufschlug, oder die Zelluloidplättchen zersetzten sich nicht wie vorgesehen. Aus der Bombe wurde ein Blindgänger, und was damals ein Glück für die deutsche Bevölkerung war, ist heute ein Problem. Und zwar ein wachsendes, dennje länger solche Bomben mit Säurezündern unentdeckt im Erdreich liegen, desto gefährlicher werden sie. Im Gegensatz zu den Bauteilen des Zünders korrodiert der Sprengstoff nicht, weshalb solche Bomben keinesfalls in ihrer Lage verändert werden dürfen.

Nur Fachleute des Kampfmittelräumdienstes haben das nötige technische Wissen, um diese Mordinstrumente zu entschärfen. Manchmal kommt es dennoch zu tragischen Unfällen, bei denen die Entschärfer getötet werden. So forderte 2010 die Explosion einer Fliegerbombe in Göttingen drei Menschenleben.

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