Stadt Nürnberg nimmt "Reichsbürger" unter die Lupe

15.7.2017, 16:52 Uhr
Bis zu den Todesschüssen in Georgensgmünd wurde den "Reichsbürgern" kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Seitdem steht die Szene im Fokus. Doch wie soll man mit einer Bewegung umgehen, die den Staat ablehnt?

© Jochen Lübke/dpa Bis zu den Todesschüssen in Georgensgmünd wurde den "Reichsbürgern" kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Seitdem steht die Szene im Fokus. Doch wie soll man mit einer Bewegung umgehen, die den Staat ablehnt?

Ende August beginnt der Prozess gegen den mutmaßlichen Todesschützen Wolfgang P. aus Georgensgmünd vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth. Dem 49-jährigen "Reichsbürger" wird vorgeworfen, die tödlichen Schüsse auf einen SEK-Beamten abgefeuert zu haben. Die blutige Schießerei am 19. Oktober 2016, bei der zwei weitere Polizisten schwer verletzt wurden, markiert einen Wendepunkt. Seit dem stehen Anhänger dieser Ideologie stärker unter behördlicher Beobachtung. Sie werden als potentielle Gefährder eingestuft.

Im Freistaat sollen es nach dem bayerischen Verfassungsschutzbericht 2016 rund 1700 Reichsbürger geben. Das Bundesamt für Verfassungsschutz geht deutschlandweit von etwa 10.000 Mitgliedern der Szene aus. "Regionale Schwerpunkte in Bayern sind der Ballungsraum München, das Chiemgau, Nürnberg sowie der Großraum Würzburg-Schweinfurt", heißt es in der Vorlage für den städtischen Rechts- und Wirtschaftsausschuss, der am kommenden Mittwoch tagt und sich mit dem Thema aufgrund eines Antrags der Grünen befasst.

Nach den Todesschüssen in Georgensgmünd hat das Bürgermeisteramt der Stadt Nürnberg die Dienststellen gebeten, alle Vorgänge "mit typischem Reichsbürgerduktus" an das Ordnungsamt zu melden. Das Ergebnis: Zum 30. Juni 2017 waren es 210, ein Viertel dieser Vorgänge initiierten Frauen. "Dazu zählen zum Beispiel seitenlange Pamphlete gegen die Bundesrepublik, die uns zugeschickt wurden. Die haben wir an die Polizei weitergeleitet", sagt Robert Pollack, stellvertretender Leiter des Ordnungsamtes, auf Anfrage. Seine Behörde schenke diesen Schriftstücken "keine große Aufmerksamkeit". Nach Auswertung der Polizei geht man in Nürnberg von aktuell 108 Reichsbürgern aus.

Als waffenrechtlich unzuverlässig zu bewerten

Noch wichtiger als das war für die Behörde aber festzustellen, wer von den Staatsfeinden eine Waffenerlaubnis besitzt. Wie berichtet, hat das bayerische Innenministerium die Städte und Gemeinden darauf hingewiesen, dass Anhänger der Reichsbürgerbewegung als waffenrechtlich unzuverlässig zu bewerten seien. 17 Personen mit waffenrechtlicher Erlaubnis wurden verdächtigt, der Szene anzugehören (Stand: 30. Juni 2017). Bei sechs der Personen hat sich die Vermutung bestätigt, ihnen wurde die Erlaubnis entzogen, fünf klagen derzeit gegen diese amtliche Entscheidung. In ihrem Antrag fragen die Grünen auch, ob Beschäftigte des öffentlichen Dienstes von Reichsbürgern verletzt oder angegriffen wurden. Dem städtischen Personalamt liegen dazu keine Erkenntnisse vor. 

Insgesamt wird derzeit gegen zehn Personen polizeilich ermittelt. Ein Mann ist darunter, der mehrfach wegen Volksverhetzung, Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole und — wie es im sperrigen Juristendeutsch heißt — wegen "Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen" (etwa Hakenkreuz, SS-Runen oder Reichskriegsflagge) aufgefallen war.

Dass es auch unter Staatsdienern Anhänger der Reichsbürgerbewegung geben kann, hat sich in den vergangenen Monaten bayernweit in einigen Fällen bestätigt. Nach Angaben der Polizei trifft das für Nürnberger Polizeidienststellen aber nicht zu. Auch bei Polizeibeamten mit Wohnsitz in Nürnberg liegen keine Erkenntnisse zu Verbindungen in die Szene vor. Dennoch: Ein identifizierter Reichsbürger ist nach Ermittlungen der Polizei im Finanzamt in Nürnberg tätig.

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