Tuberkulose zurück? Nürnberger Experten sind besorgt

11.2.2019, 05:27 Uhr
Weit verbreitet ist TBC nicht nur in Afrika und Asien, sondern auch in Teilen Europas, etwa in Rumänien, Russland und Polen, aber auch in Teilen von Griechenland oder Spanien.

© Armin Weigel/dpa Weit verbreitet ist TBC nicht nur in Afrika und Asien, sondern auch in Teilen Europas, etwa in Rumänien, Russland und Polen, aber auch in Teilen von Griechenland oder Spanien.

Dr. Michael Kandler, Oberarzt an der Klinik für Neugeborene, Kinder und Jugendliche am Klinikum Nürnberg schätzt, dass er und seine Kollegen im Schnitt jeden Monat ein Kind mit der Diagnose Tuberkulose sehen. Die jungen Patienten im Südklinikum kommen aus der gesamten Region. TBC ist eine seltene Erkrankung bei Kindern, aber in den vergangenen fünf Jahren stellt Kandler eine Zunahme fest. Eine Beobachtung, die das Gesundheitsamt der Stadt bestätigt. Tuberkulose ist eine meldepflichtige Erkrankung, deshalb kennt die Behörde die Zahlen für Nürnberg. 2016 erkrankten vier Kinder und Jugendliche an TBC, 2017 waren es sechs und 2018 bereits acht junge Nürnberger.

Natürlich sind das nur wenige Erkrankungen, aber sie lassen Kandler trotzdem aufhorchen. Verglichen mit der Situation vor 50 Jahren hat die Zahl der Tuberkulosefälle insgesamt in Deutschland deutlich abgenommen. "Doch damit ist auch die Wahrnehmung bei den Ärzten und in der Bevölkerung verschwunden. Jetzt ist die Tuberkulose zurück, aber das Bewusstsein dafür ist noch nicht wieder da“, meint er.

"Wir sehen leichte Fälle, aber auch ..." 

Betroffen sind Kinder und Jugendliche quer durch alle Bevölkerungsgruppen und alle Einkommensklassen. "Wir sehen leichte Fälle, bei denen früh an Tuberkulose gedacht wurde, aber eben leider auch viele ernste Verläufe, die lange und mühsam zu behandeln sind, weil sie zu spät entdeckt wurden“, erläutert der Kinderarzt.

Woran liegt es, dass die Infektionskrankheit wieder zurück ist? "Tuberkulose ist eine Erkrankung des geschwächten Menschen, aber auch des vielreisenden Menschen, der sich im Reiseland der Tuberkulose-Ansteckung lang und intensiv genug aussetzt", erläutert Kandler. Weit verbreitet ist TBC nicht nur in Afrika und Asien, sondern auch in Teilen Europas, etwa in Rumänien, Russland und Polen, aber auch in Teilen von Griechenland oder Spanien.

Und natürlich hat Tuberkulose auch etwas mit Migration zu tun. „Etwa ein Drittel der Patienten sind Deutsche, zwei Drittel haben eine andere Staatsbürgerschaft“, meint Prof. Joachim Ficker, Chefarzt der Pneumologie am Klinikum Nürnberg.

"Dann heißt das, die Tuberkulose ist zurück"

Die deutschen Patienten sind in der Regel meistens Senioren, die möglicherweise schon während des Zweiten Weltkriegs oder in den schlechten Zeiten danach eine Tuberkulose erlitten hatten, die nun im hohen Alter wieder aufbricht. Die jüngeren Patienten — sie stecken sich weitaus leichter mit TBC an als Erwachsene — haben meist Migrationshintergrund. "Bei den Kinder und Jugendlichen sehen wir also echte Neuinfektionen, während es sich bei den Senioren meist um eine Reaktivierung einer alten Tuberkulose handelt, also um ein Nachklingen eines Problems, das mal ein riesiges war. Wenn jetzt aber Kinder hier erkranken, dann heißt das, die Tuberkulose ist zurück", macht Ficker deutlich.

Ärzte und Eltern sollten deshalb auch an Tuberkulose denken, wenn der Husten bei einem jungen Patienten über etliche Wochen einfach nicht weggeht. "Keine Sorge, bei den wenigsten wird sich der Verdacht bestätigen. Aber es ist trotzdem gut, die Infektionskrankheit auszuschließen. Denn wenn ein unentdeckt erkranktes Kind zum Beispiel längere Zeit im Kindergarten verbringt, wo es viel und regelmäßigen Kontakt zu seinen Spielgefährten hat, kann es zu einer explosionsartigen Ausbreitung der Tuberkulose kommen", meint Michael Kandler.

Neben dem hartnäckigen Husten, der bei Kindern nur selten mit blutigem Auswurf verbunden ist, sind Gewichtsabnahme, Schwäche, Müdigkeit, Fieber oder Nachtschweiß weitere unspezifische Symptome einer Tuberkulose. Wichtige Hinweise auf eine mögliche TBC-Erkrankung liefert aber vor allem auch die Geschichte der Familie: Gab es im Umfeld schon Tuberkulose-Fälle oder hat die Familie regelmäßig längere Kontakte in ein Land, in dem die Tuberkulose noch weit verbreitet ist? Mit einfachen Haut- und Bluttests, die das Kind wenig belasten, herrscht schnell Klarheit.

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