Wieder alles richtig gemacht: Das 13. Brückenfestival

12.8.2013, 11:45 Uhr
Wieder alles richtig gemacht: Das 13. Brückenfestival

© Weigert/Fengler

Was ursprünglich als kleines Gudzerla für alle in den Sommerferien zu Hause Gebliebenen initiiert wurde und 2001 mit 500 Besuchern gemächlich seinen Lauf nahm, ist inzwischen zum drittgrößten Populärmusikfestival der Stadt nach „Rock im Park“ und dem „Bardentreffen“ gewachsen. Auch am Wochenende pilgerten wieder über 25.000 Besucher aller Altersgruppen aus Nah und Fern in die Pegnitzauen unter die namensgebende Theodor-Heuss-Brücke, um bei freiem Eintritt einen handverlesenen Musikmix zu erleben.

An zwei Tagen spielten zehn Gruppen auf: heimische Pflänzchen neben Musikern aus Dänemark, England, Österreich, der Schweiz und den USA. Dazu sieben klassische Ensembles von der Hochschule für Musik auf der Zeltbühne sowie 15 Poetry-Slam-Künstler auf dem Poetenpodium, wo Geschichtenerzähler und Reimschmiede wie Michael Jakob und Peter Parkster gefeiert wurden.

Ein bisschen Kontaktpflege

Spielt die Musik beim „Brückenfestival“ im Gegensatz zu manch einem längst aus dem Ruder gelaufenen Sommer-Freiluft-Massenevent noch immer die Hauptrolle, so ist ein Besuch auf der Pegnitzwiese immer auch Kontaktpflege. Menschen, die man seit Jahren nicht mehr gesehen hat, läuft man hier garantiert über den Weg.

Subjektives Highlight auf der Hauptbühne in diesem Jahr: Louis Barabbas & The Bedlam Six! „Lyric-Driven Dirt-Swing“ nennt die Truppe aus Manchester ihren knorrigen Sound, der eine Brücke von Geschichtenerzählern wie Tom Waits und Nick Cave hin zu theatralen Pop-Kapellen wie den Tiger Lillies oder auch The World/Inferno Friendship Society schlägt. Die Basis ist whiskeygetränkter Folk, der swingt wie Hölle, aber immer auch mächtige Eier hat. Sänger, Gitarrist und Bandchef Louis Barabbas ist auf der Bühne ein derartiger Derwisch, dass er alle Blicke auf sich zieht und man kaum Zeit findet, auf die anderen Musiker zu achten. Louis Barabbas & The Bedlam Six, diesen Namen darf man sich merken.

Bärenstark auch The Mergers aus Nürnberg, die die 60er Jahre in Klang und Optik hochleben lassen. „Monkey See, Monkey Do!” heißt das vielgelobte Debütalbum des Quartetts, bei dem unter anderem Musiker von Smokestack Lightnin’ mitmischen und ihre Liebe zu klassischem britischen 60’s Beat ausleben. Live ist die charmante Zeitreise freilich noch einmal eine ganz andere Geschichte als auf Tonträger: Laut und energisch drückt der virtuos inszenierte Rock-Sound aus den Boxen und trifft von jetzt auf gleich ins Schwarze. Einzig die affektierten englischen Ansagen wirken hier ein wenig aufgesetzt.

Auch Kadavar aus Berlin drehen die Regler bis zum Anschlag auf Retro. Das Trio ist in diesem Jahr bereits zum dritten Mal in Nürnberg zu Gast und zieht zahlreiche Fans unter die Brücke – ein klares Signal, dass die Erfolgskurve hier steil nach oben zeigt. Nach dem restlos ausverkauften Konzert neulich im Zentralcafé wird das Rock-Ritual diesmal auf großer Bühne zelebriert, wo der basslastige, riffgetriebene 70er Jahre-Hardrock seine Wirkung nicht verfehlt. Die großen Black Sabbath in ihrer Frühphase mit Ozzy Osbourne am Mikrofon stehen Pate für den Sound von „Abra Kadavar“, wie die aktuelle Schallplatte der Hauptstädter heißt. Dazu ein paar Anleihen von The Doors – schon zuckt er wieder, der frisch exhumierte Proto-Metal-Leichnam. Das riecht nach schwerem schwarzen Leder und lässt den Schweiß fließen, ist jedoch leider auch null eigenständig. Schwachpunkt bei Kadavar ist zudem Sänger Christoph „Lupus“ Lindemann, dessen Stimme nur Genre-Durchschnitt ist.

Mit das experimentellste im Aufgebot ist das Duo Buke & Gase, das sich nach seinen selbstgebauten Instrumenten (eine sechssaitige Bass-Ukulele namens „buke“ und „gase“, ein Bastard aus E-Gitarre und E-Bass) benannt hat. Mit einer Batterie an Effekten, die per Fußschalter zu- und weggeschaltet werden, ziehen die New Yorker einen abgedrehten Stil- und Zitate-Mix auf, der auch als konzentrierte Hockernummer (beide Musiker sitzen statisch auf der Bühne) funktioniert. Die Lieder sind komplex und intensiv, bleiben jedoch verständlich und angenehm unverkopft.

Weitaus gefälliger klingen da nicht nur im Direktvergleich Turboweekend aus Dänemark, die pumpenden SynthiePop mit AlternativeRock-Attitüde spielen. Live ist das mehr Rock als Disco und nimmt das Publikum vom Fleck weg mit, wirkt aber über die volle Spielzeit auch ein wenig ermüdend. Die ganz großen Hooks und Hits, sprich: Ohrwurmmelodien, ohne die es bei dieser Musik nur schwerlich geht, fehlen bei Turboweekend noch — ein Manko, das die Truppe um Sänger Silas Bjerregaard mit einer umso energiegeladeneren Bühnenshow wieder wett macht …

Perfekter Abschluss

Nur mit ihren Stimmen machen die fünf Buben von Bauchklang der riesigen Menge zum Abschluss noch einmal Beine. Doch die Truppe aus Niederösterreich ist keine weitere lustige A Cappella-Truppe, die mit engelsgleichen Stimmen die einschlägigen Pop- und Rockhits der 70er, 80er und 90er Jahre recycelt, sondern setzt auf Beatboxing brutal und eigene Lieder. Das Ergebnis ist mundgemachte Clubmusik, die stetig an- und abschwillt und so der Inszenierung der einschlägigen Techno-Messe folgt. Der perfekte Abschluss für ein perfektes Festival.

Die komplette Organisation, die schicke Deko, die Entscheidung für nur eine große Bühne (the lost art of Umbaupause!), eine stilsichere Künstlerauswahl weitab vom Mainstream, der nach wie vor freie Eintritt und die Liebe zum Detail, die überall auf dem weitläufigen Gelände zu spüren ist, all das wurde auch in diesem Jahr mit einem friedlichen, entspannten Popmusik-Fest vom Allerfeinsten belohnt. Das Veranstalterteam, das den Event allsommerlich komplett ehrenamtlich stemmt, hat erneut alles richtig gemacht, davor kann man nur sämtliche verfügbaren Hüte ziehen. In dieser (Hoch)Form ist das „Brückenfestival“ ein Stück fränkische Lebenskultur, das nur schwer wieder wegzudenken ist.
 

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