Ofen kühlt 2021 aus: Erlangen hat bald keine Kohle mehr

5.2.2019, 06:00 Uhr
Durch ein kleines Fensterchen kann man einen kurzen Blick in das Inferno des Erlanger Kohlekessels werfen. Bis zu 900 Grad heiß wird es im Inneren.

© Harald Sippel Durch ein kleines Fensterchen kann man einen kurzen Blick in das Inferno des Erlanger Kohlekessels werfen. Bis zu 900 Grad heiß wird es im Inneren.

Ein bisschen wehmütig wird Wolfgang Geus, Vorstandsvorsitzender der Erlanger Stadtwerke, schon, wenn er an den baldigen Abschied von der Kohle denkt. "Das ist eine interessante und vor allem unmittelbar erfahrbare Technik. Eben ganz wie eine Dampflok. Und da ist ja auch jeder begeistert, wenn er sie heute noch fahren sieht."

In Erlangen hat man eine lange Kohletradition. Als das Heizkraftwerk im Jahr 1961 in Betrieb ging, setzte man voll auf diesen fossilen Energieträger. Erst seit 1986 werden Wärme und Strom im Heizkraftwerk auch durch Erdgas erzeugt, das die Kohle immer mehr verdrängte. Heute liegt der Kohle-Anteil noch bei etwa 40 Prozent.

30.000 Tonnen im Jahr

30.000 bis 32.000 Tonnen werden pro Jahr in Erlangen verfeuert. Während die Steinkohle früher vor allem aus dem Ruhrgebiet angeliefert wurde, kommt sie heute aus Polen, Tschechien, Kolumbien oder Nordamerika.

Drei große Eisenbahnwaggons mit je 50 Tonnen Steinkohle stehen gerade in der Anlieferungshalle. "Momentan kommen sie ja gefroren an, deswegen lassen wir sie erst länger stehen, bevor die Kohle ausgeladen wird", erklärt Prokurist Heribert Spitzhorn.

Aber was heißt hier schon ausgeladen? Durch Druckluft werden die Behälter geöffnet, die Kohle fällt in einen Schacht und wird von einem Becherwerk, einer Art Förderband mit Schöpfbehältern, in den riesigen Kohlebunker transportiert.

8000 bis 9000 Tonnen fasst der Bunker, in dem der Rohstoff so ganz anders aussieht als im Kohlekeller. Keine dicken Brocken liegen hier, sondern sehr feines Material. Über Förderbänder läuft es dann zu zwei Tagesspeichern und schließlich zur Kohlemühle, wo es zu noch feinerem Staub zerkleinert wird. Dieser wird dann in den Kessel geblasen.

Das alles wird aber schon bald Technik von gestern sein. Noch zwei Winter wird das Kohlekraftwerk voll laufen, dann ist endgültig Schluss, Erlangen steigt aus der Kohle aus. "Das wird ein harter Schnitt, da gehen wir von Volllast auf Null. Die Anlagen werden ab Frühjahr 2021 komplett abgebaut und demontiert", sagt Geus.

Viel CO2 wird eingespart

Die Kohle soll künftig durch Erdgas ersetzt werden. Dabei muss es sehr schnell gehen. Innerhalb eines Jahres muss 2021 alles fertig sein, inklusive der neuen Turbine. "Den fehlenden Strom könnten wir noch durch Zukäufe ausgleichen, die Wärme aber nicht", erklärt Spitzhorn.

Bislang stößt das Erlanger Heizkraftwerk etwa 175.000 Tonnen CO2 pro Jahr aus. Wenn die Steinkohle durch Gas ersetzt ist, werden es nur noch 137.000 Tonnen sein. Noch aber läuft der Kohlekessel und das CO2 aus der Kohle entweicht aus dem 140 Meter hohen Schornstein der Stadtwerke.

Nur in der Heizperiode von Mitte Oktober bis etwa Mitte April brennt der bis zu 900 Grad heiße Kohlekessel, obwohl durch den Dampf, der mit 520 Grad und 60 Bar Druck durch eine Turbine schießt, auch bis zu 20 Megawatt dringend benötigter Strom erzeugt werden können.

Siemens und die Uni bekommen Fernwärme

Dass der Kessel im Sommer nicht genutzt werden kann, liegt an der Konstruktionsweise des Kraftwerks: "Die Wärme kann nicht durch einen Fluss oder einen Kühlturm weggekühlt werden. Sie wird voll als Fernwärme genutzt. Das bedeutet aber natürlich auch, dass wir im Heizkraftwerk nur so viel Strom erzeugen können, wie Wärme gebraucht wird", verdeutlicht Geus. 1300 Anschlüsse im Stadtgebiet hat das Fernwärmenetz, darunter etwa 200 Großkunden wie Siemens oder die Universität.

Obwohl die Kohle künftig wegfällt, stockt in Erlangen der Ausbau der erneuerbaren Energien. Von insgesamt 331 Millionen Kilowattstunden Strombedarf für ihre Kunden wurden von den Stadtwerken im Jahr nur 75 Millionen Kilowattstunden Strom auf regenerativem Weg erzeugt. 45 Millionen durch Windkraft, 16 Millionen durch Photovoltaik, der Rest durch Wasserkraft. Insgesamt sind das also nur 22,7 Prozent des Gesamtstromverbrauchs.

Und daran wird sich in den nächsten Jahren wohl auch nicht viel ändern. "Die nächsten vier bis fünf Jahre konzentrieren wir uns voll auf den Umbau unseres Kraftwerks, da haben wir gut zu tun", sagt Geus.

"Kein tragfähiges Energiekonzept"

Sonst könne man kaum größere Investitionen tätigen, schließlich gebe es seit dem 2011 beschlossenen Atomausstieg kein tragfähiges Energiekonzept der Bundesregierung. "Wir brauchen endlich verlässliche Leitlinien und ein Konzept, und zwar möglichst schnell. Es ist schon frustrierend, dass da nichts passiert, irgendwo muss der Strom doch herkommen", verdeutlicht Geus.

Man müsse den Menschen doch auch deutlich sagen, welche Konsequenzen die beschlossene Stilllegung von Atom- und Kohlekraftwerken habe, nämlich dass der Strom über weitere Strecken transportiert werden muss und wir Ersatzanlagen für die Stromerzeugung benötigen. Ersatzlose Kraftwerksstilllegungen funktionieren sicher nicht.

"Wir wissen überhaupt nicht, wo wir noch Anlagen hinstellen könnten", sagt der Stadtwerke-Chef. Am effektivsten wären Windkraftanlagen, aber da geht durch die bayerische 10H-Regelung nichts mehr. Die Erlanger Stadtwerke versuchen, ihre Windkraft so regional wie möglich zu erzeugen. "Wir haben vor allem Anlagen in Ober- und Unterfranken und auch einige in Südhessen. Nordseestrom ist für uns keine Option", betont Geus.

Bis 2030 hält er aus heutiger Sicht bei den Stadtwerken allenfalls eine Steigerung auf 100 Millionen Kilowattstunden aus regenerativen Quellen für möglich, also knapp 30 Prozent des Gesamtbedarfs.

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