Belastung der Bürger weit über Grenzwert

23.09.2010, 16:54 Uhr
Belastung der Bürger weit über Grenzwert

© Brigitte Grüner

Diese Zahl nannte das „Bürgerforum Umwelt und Truppenübungsplatz“ (BUT) bei der Hauptversammlung am Mittwoch. Das Lärmschutzgutachten beweise eindeutig: Die Belastung der Bürger gehe weit über das verträgliche Maß hinaus. 28 Jahre nach der Gründung der Bürgerinitiative wissen die betroffenen Anwohner jetzt endlich schwarz auf weiß, dass die Lärmintensität durch die nahe Range 213 nicht dem deutschen Recht entspricht. Schon ein erstes Gutachten ergab 1983 eine „akute Gesundheitsgefährdung“, erinnert sich der damalige Vorsitzende Josef Geyer. Allerdings wurden die Ergebnisse bis heute unter Verschluss gehalten.

Politik am Zug

BUT hat nun ein großes Ziel erreicht: „Das Gutachten ist ein Meilenstein. Jetzt ist die Politik am Zug“, drückte es Vorsitzender Armin Griesbeck aus. Er machte bei der Hauptversammlung aber auch unmissverständlich deutlich, dass die Geduld der Betroffenen nahezu erschöpft ist. „Wir wollen nicht, dass es weiter so dahin dümpelt.“ Die Nitzlbucher und Bernreuther versprechen sich viel vom Stelldichein der Politiker am kommenden Montag. Neben Bürgermeister Joachim Neuß werden Landrat Richard Reisinger sowie die Landtagsabgeordneten Heinz Donhauser und Reinhold Strobl erwartet. Gemeinsam mit BUT und interessierten Bürgern sollen die Ergebnisse des Gutachtens besprochen und die Marschrichtung festgelegt werden. „Die von uns gewählten Vertreter werden sich hoffentlich für uns einsetzen“, drückte Werner Dier die Hoffnungen der Betroffenen aus.

Amerikaner überzeugen

Hätte die Bundeswehr und nicht die US-Armee das Sagen auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr, wäre die Lage vielleicht längst entspannt. Die deutschen Soldaten richten sich nach der so genannten „Lärmmanagement-Richtlinie“. Diese gilt landesweit für alle militärisch genutzten Gebiete und für große Waffen. Kleine Kaliber werden durch die TA-Lärm geregelt. Allerdings ist es bislang offenbar schwierig, die Amerikaner von der Einhaltung der Richtlinien zu überzeugen. Die Bürger haben vielmehr das Gefühl, dass die Army derzeit „aus Trotz“ verstärkt schießt, sogar mitten in der Nacht. Obwohl das Gutachten eindeutig zu dem Schluss kommt, dass kein einziger Schuss in der Nachtzeit rechtskonform sei, berichtete der Vorsitzende.

50 Meter hoher Wall

Für ihre Mitglieder hatte die BUT-Führung das 89-Seiten-Gutachten eines unabhängigen Ingenieurbüros aufbereitet. Der Gutachter schlägt verschiedene organisatorische und bauliche Maßnahmen vor, die geeignet wären, um die Lärmbelastung der Anwohner zu reduzieren. Dazu zählen ein 50 Meter hoher und 700 Meter langer Erdwall. Die Kosten dafür schätzt zweiter Vorsitzender Werner Leißner – selbst in der Baubranche tätig — auf 37 Millionen Euro. Ferner wird eine 300 Meter lange und zehn Meter hohe Betonwand vor den Wohnhäusern im oberen Bereich von Bernreuth vorgeschlagen. Kosten: Etwa 1,8 Millionen Euro. Maßnahme drei wäre eine 800 Meter lange und zehn Meter hohe Wand am Rand der Schießbahn. Kosten: Rund 4,5 Millionen Euro. Dazu kommen zehn „Gabionenhäuser“ im Wert von etwa 3,5 Millionen Euro. Im Gutachten wird als organisatorische Maßnahme unter anderem auch die Schließung der westlichen Feuerhalte vorgeschlagen.

Ganz anders und viel kostengünstiger sind die Lösungsansätze, die Mitte Juni von der Wehrbereichsverwaltung (WBV) herausgegeben worden waren. Großkalibrige Waffen sollten 1300 Meter mehr östlich üben. Vorgeschlagen wurden auch ein Tempolimit auf der Panzerstraße, forstliche Maßnahmen und Gabionen entlang der Feuerstellungen. „Diese Anregungen klingen fast nach einem Abspeisen“, kommentierte Vorsitzender Griesbeck.

Zusammenfassend sei zu sagen, dass das Gutachten eindeutig sei. Die Lärmbelastung sei höher als es die deutschen Gesetze erlauben. Umso erstaunlicher sei es letztendlich, dass die Bürger den Staat durch jahrelangen Unmut zwingen müssen, dass er auf die Einhaltung seiner Gesetze achtet. Ein BUT-Mitglied sah Aussicht auf Erfolg, wenn Privatleute bei eindeutigem Verstoß gegen deutsches Recht eine Strafanzeige wegen Körperverletzung stellen. Auch der Weg vor ein Verwaltungsgericht wäre möglich. Allerdings möchte das Bürgerforum derzeit keine juristischen Schritte unternehmen. Vielmehr will man abwarten, welche Lösungsvorschläge die Politiker am nächsten Montag anbieten. BRIGITTE GRÜNER