Geschmack sorgt ordentlich für Bier-Absatz

04.08.2016, 21:25 Uhr
Geschmack sorgt ordentlich für Bier-Absatz

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In der Brauerei Gradl in Leups sind es gerademal 1500 Hektoliter im Jahr. Und dennoch blickt Braumeister Stefan Wolfring (34) zuversichtlich in die Zukunft, auch wenn man nicht wisse, was in fünf oder zehn Jahren ist: „Der Trend geht zu regionalen Bieren.“ Der Strukturwandel ist auch in der Region nicht spurlos an den Brauereien vorübergegangen. Größere Häuser wie in Kulmbach sind von Konzernen geschluckt worden. Auf dem flachen Land mussten viele kleine Brauereien aufgeben, weil sich Investitionen nicht mehr lohnten oder Nachfolger fehlten. Aber es blieben immerhin noch so viele Braustätten übrig, dass Oberfranken mit mehr als 200 Brauereien die höchste Brauereidichte der Welt hat.

Doch wie wollen sich die Kleinen gegen die Biergiganten behaupten, die in immer neuen Konzentrationswellen die Branche aufmischen? „Halbwegs mit ehrlicher, handwerklicher Braukunst“, sagt Wolfring. Und natürlich mit Investitionen, um den Betrieb zu modernisieren. „In den vergangenen Jahren wir vom Sudhaus bis zum Lagerkeller alles vom Kopf bis Fuß erneuert.“ Es wurde in Leups ein Gärkeller angebaut, die Tanks erweitert und eine Flaschenwaschmaschine angeschafft. Nur so sei es möglich, qualitativ gutes Bier zu brauen. Alles müsse halt gut gepflegt werden, dann habe es ein langes Leben.

„Die kommen und gehen“

Von der Brauerei allein könnte er dennoch nicht leben. Das Gasthaus Gradl, in dem das legendäre Leupser Dunkel und seit einigen Jahren auch ein Pils ausgeschenkt wird, steuert einen Gutteil zum Ertrag bei. „Man braucht eine Wirtschaft im Rücken, die gut läuft“ betont Wolfring. Am besten sei es, wenn Gäste, nachdem sie gegessen und getrunken haben, noch mit einem Kasten Bier nach Hause fahren.

Auch wenn der Durst pro Kopf in den vergangenen Jahren zurückgegangen ist – der Umsatz ist nicht wesentlich geringer geworden. Denn die „Hocker“, die Stunden saßen, aber verhältnismäßig wenig konsumierten, seien abgelöst worden von Gästen, die nicht so lange bleiben. Wolfring: „Die kommen und gehen.“

Und auch vom steigenden Absatz über die Getränkemärkte profitiert die Brauerei Gradl. Zwei Drittel des Biers gelangen über Kästen zum Kunden, der Rest kommt per Fass zum Konsumenten.

*Der Biertrinker schätze wieder die regionalen Marken, nachdem Anfang der 90er Jahre die „Fernsehbiere“ sich immer größere Marktanteile einverleibten. „Die fränkischen Kleinbrauereien erleben eine Renaissance“, sagt der Leupser Braumeister. Die Brauereien in der Umgebung betrachtet er nicht als Konkurrenten: „Es bleibt jedem selbst überlassen, was er trinkt.“ Er hebt die Vorteile von Oberfranken hervor: „Hier gibt es für jeden Geschmack ein Bier.“

Das findet auch Konrad Krug (63), umtriebiger Chef der Brauerei in Breitenlesau bei Waischenfeld. Eine Gastwirtschaft und ein Tanzsaal sind weitere Standbeine. Aus kleinsten Anfängen hat Krug eine Brauerei gemacht, deren Bier auch Abnehmer in Italien findet. 20 Kunden werden beliefert. „Demnächst wird es uns auch in Rom geben.“

Größter unter den Kleinen

Krug bezeichnet sich als größter Brauer unter den kleinen in der Fränkischen Schweiz. 40000 Hektoliter sind es zurzeit pro Jahr. „Unser Bier hat einen anderen Charakter. Die Biere von den Großen schmecken alle gleich.“ Das Erfolgsrezept von Krug ist einfach: „Ein Bier zu machen, das vielen Leuten schmeckt. Ein liebliches, weiches, samtiges Bier, das gut läuft.“ Keine Extreme, die nur eine Minderheit ansprechen.

Das dunkle Lagerbier erfüllt diese Bedingungen. Es hat einen Anteil am Ausstoß von 80 Prozent. Die Palette wird abgerundet durch Urstoff, Pilsener, Hefe-Weiße, Bockbier, dunkles Festbier, Gaas-Seidla und Radler.

Stets werde getüftelt und versucht, die Qualität zu verbessern. Dies gehe nur, wenn kontinuierlich in den Betrieb investiert werde. Vor drei Jahren kaufte Krug eine Abfüllanlage, auch zwei Tanks schaffte er sich an, um ausreichend Nachschub liefern zu können. Das Lagervolumen wurde so um 50 Prozent erhöht. Demnächst wird das Sudhaus erweitert. „Wir stecken 80 Prozent unseres Gewinns in die Firma.“

Als Konrad Krug 1971 den kleinen Familien-Betrieb übernahm, braute er 300 Hektoliter. „Wir hatten 28 Fässer und die Flasche Bier kostete 40 Pfennig.“ Der Braumeister schmunzelt, wenn er an diese Zeit zurückdenkt. Auch er ahnte damals nicht, dass Paletten mit Bier aus Breitenlesau wie vor Kurzem bis in die Ukraine und Litauen exportiert werden.

Krug bewies das richtige Händchen, als er erkannte, dass er sein Bier über den Getränkehandel zu den Kunden bringen musste. Der Vertrieb über diese Schiene sorgte für ständig wachsende Nachfrage. In einem Radius von 50 Kilometern um Breitenlesau werde das Bier in Getränkemärkten angeboten. Es gebe Stützpunkte in ganz Deutschland. Touristen, die sich im Gasthof in Breitenlesau zum erstenmal das Krug-Bier schmecken lassen, wollen es in ihrem Heimatort ebenfalls trinken. Und tatsächlich hätten Händler das Breitenlesauer in ihr Sortiment aufgenommen. Zusätzlich wird der Breitenlesauer Gerstensaft in rund 60 Gasthäusern ausge-schenkt.

Skeptisch betrachtet Krug die Bier-Sonderaktionen in den Einkaufsmärkten. Vor allem die bekannten Sorten der großen Brauereien würden dabei regelrecht „verramscht“. „Ich lasse mich auf einen Preiskampf nicht ein.“ Aber er merkt selbst, wie solche Sonderangebote die Nachfrage anziehen lassen. „Diese Aktionen machen sich beim Absatz stark bemerkbar.“

Krug, dessen zwei Töchter und ein Schwiegersohn ebenfalls in der Brauerei mit zwölf Mitarbeitern tätig sind, hat immer noch Spaß an seinem Job – auch wenn er 60 bis 70 Stunden in der Woche arbeitet. Krug: „Es geht immer wieder weiter.“

*Nicht weit entfernt braut Helmut Polster (63) zusammen mit einem Mitarbeiter und seinem Sohn ein dunkles Bier, das vor einigen Jahren in einem Test der Zeitschrift Stern zu einem der zehn besten deutschen Biere gekürt wurde. Die Braustätte in Oberailsfeld im Ahorntal ist längst kein Geheimtipp mehr. Und auch das dazugehörige Gasthaus ist ein beliebter Treffpunkt. „Die Gastwirtschaft ist wichtig. Die Leute sprechen dann über unser Bier.“

Landbierparadies als Glücksfall

In einem Umkreis von 50 Kilometern stehen die Kästen mit Bier der Held-Bräu in den Getränkemärkten. Das Dunkle, Helle, Pils und Weizen. Rund 4000 Hektoliter werden pro Jahr produziert. Ein Glücksfall war es, als der Pegnitzer Joachim Glawe vor über 20 Jahren sein Landbierparadies in Nürnberg eröffnete. Wie andere Brauereien aus der Fränkischen Schweiz rückte das Bier aus Oberailsfeld erstmals Liebhabern in Nürnberg ins Blickfeld. Die zunehmende Wertschätzung der Biere aus den kleinen Sudstätten kam auch Held-Bräu zugute. Das Image verbesserte sich. Die Bauern-Biere waren in der großen Welt angekommen.

Polster erkannte die Chance und investierte in die Brauerei: „Ohne das geht es nicht. Man muss dies tun, damit man langfristig produzieren kann.“ Auch aus dem Gasthaus machte er ein Schmuckstück. Die Brauereien in der Umgebung sind für ihn keine Konkurrenten: „Jede hat eigene Rezepte, Geschmacksrichtungen und Nischen — und das ist gut so.“ Sein Bier wird er wie die Großen nicht verschleudern. „An den Preisen werde ich nichts ändern.“ Zugaben wie Biergläser oder Flaschenöffner will er nicht als Verkaufsanreiz anbieten. Ausgeschenkt wird das Held-Bräu in über 20 Wirtshäusern der Region. Die Wirtschaft in Pfaffenberg bietet das Bier seit 120 Jahren an. „Wir sind gemeinsam durch gute und schlechte Zeiten gegangen“, sagt Polster. Und es sollen noch ein paar Jahre mehr werden.

*Ein typischer Familienbetrieb ist die Brauerei Herold in Büchenbach mit Gasthof, kurz Beck’n genannt. Hans Herold (61) sieht die Durststrecke bei den kleinen Brauerein überwunden. „Die Leute trinken wieder mehr regionale Biere.“ Er meint, das Bewusstsein dafür sei auch über die Medien geschärft worden. Vor vier, fünf Jahren sei es schlecht gewesen, aber seitdem gehe es stetig bergauf. Entscheidend für die Hinwendung zu den heimischen Biersorten der kleinen Brauereien sei der individuelle Geschmack.

Die im Jahr von Braumeister Matthias Herold produzierten 1400 Hektoliter werden in einem Umkreis von rund 25 Kilometern in Getränkehandlungen angeboten. Vater Hans weist auf den Umweltaspekt hin: „Die Menschen müssen nicht extra zu uns herfahren, um Beck‘n-Bier zu kaufen, sie bekommen es in ihrer Umgebung. Das spart Benzin und schont die Umwelt.“ Auch den Touristen, die in Büchenbach einkehren, schmeckt das dunkle Bier.

Familien-Betriebe hätten im Vergleich zu den großen Brauereien einen schweren Stand „Wir benötigen für tausend Hektoliter einen Mann, bei den Großen ist es einer für 20 000 Hektoliter.“ Diesen Wettbewerbsvorteil gleicht Herold mit erhöhtem Einsatz aus. „Nur wenn man fleißig ist und viel arbeitet, können wir mithalten.“

Und wenn der Betrieb modernisiert wird. Herold hat sich eine Flaschenwaschmaschine angeschafft: „Die muss 30 Jahre halten.“ Man müsse immer auf dem neuesten Stand sein, meint Herold. Dennoch pflegt er zu den anderen Kleinbrauereien ein gutes Verhältnis: „Wir sind Kollegen, da ist keiner auf den anderen neidisch.“ Ihm ist vor den Konzernen nicht bange, denn der Preis sei beim Bier nicht allein entscheidend: „Die Leute haben auch noch Geschmack. Jedes Bier schmeckt bei uns anders – ganz individuell. Damit heben wir uns von den Massenbieren ab. Hier in der Gegend mögen es die Biertrinker nicht so herb und bitter.“ Darum gibt er sich optimistisch: „Solange die Großen ihre Einheitsbiere brauen, haben wird im Wettbewerb weiter gute Chancen.“

*Aufseß hat mit vier Sudstätten die höchste Brauereidichte der Welt. Eine davon ist die Brauerei Reichold in Hochstahl. „Wir haben unser Bier abseits der großen Industrien“, sagt Hilmar Reichold. Und der 61-Jährige erklärt, was er damit sagen will: „Das Bier ist handwerklich gebraut und wird länger gelagert. Dies bedeutet, dass es weniger Kohlensäure enthält und deshalb kein Kopfweh verursacht.“

Umsatz bleibt gleich

Auch auf den Preiskrieg der Konzerne will sich Reichold nicht einlassen. „Da machen wir nicht mit.“ Er ist Realist: „Unser Herstellungspreis ist höher als bei den Großen.“ Der Umsatz ist seit vielen Jahren der gleiche. Reichold plant nicht durch Marketingaktionen die Absatzzahlen zu pushen. Derzeit brauen jährlich zwei Mann 3500 Hektoliter. Die Brauerei befindet sich in einem guten Zustand, da in den vergangenen Jahren regelmäßig investiert worden sei. „Wir haben alles neu gemacht.“ Die Abfüllanlage ist neu, auch Lagerhalle und Gärkeller sind modernisiert worden. Gekauft wurde zudem eine Cip-Reinigungsanlage. „Bis auf wenige Ausnahmen hätten alle kleinen Brauereien in den vergangenen Jahren in der Fränkischen Schweiz in ihre Betriebe Geld reingesteckt und diese modernisiert.“

Reichold hat festgestellt, dass das Bier der Kleinen im Wettbewerb gut mithalten kann. „Die Leute schätzen die Vielfalt in unserer Region. Das ist einzigartig auf der Welt. In vier Gastwirtschaften fließt das Bier aus Hochstahl aus dem Zapfhahn. Im regionalen Raum wird es über Getränkemärkte vertrieben. Doch fast noch wichtiger als die Brauerei ist der Gasthof mit Pension. Für Hilmar Reichold ist klar, dass man nicht stehenbleiben darf: „Wenn man 15 Jahre nichts tut, fällt man hinten runter.“

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