Ungeklärter Streit zwischen Taxi-Fahrern
25.08.2010, 08:58 Uhr
Der Tag, an dem es dem Taxi-Unternehmer reichte, war der 1. März. Auch seinem Vater, der in dem Unternehmen zur Hand geht, war es zu bunt geworden: "Wir wollten keine Selbstjustiz üben", sagt er vor Gericht. "Aber der macht uns ja kaputt." Mit unlauteren Methoden habe der Rentner ihnen regelmäßig am Bahnhof die Fahrgäste weggeschnappt und selbst kutschiert. Das wollten sich die beiden nicht mehr gefallen lassen. "Wir haben beschlossen, ihn zur Rede zu stellen." Filmen wollten die beiden die Begegnung auch. Das "Beweismaterial" sollte das Landratsamt bekommen, das ihrer Ansicht nach viel zu lange untätig geblieben war.
Amtsrichterin Christine Oertwig hat die beiden Männer als Zeugen geladen. Auf der Anklagebank sitzt der Rentner, der findet, dass er da gar nicht hingehört. Die Begegnung habe er nämlich noch gut in Erinnerung: "Ich stehe mit meinem Wagen am Bahnhof. Plötzlich springen zwei Männer aus den Büschen und beschimpfen mich", berichtet er. "Heute machen wir dich fertig!", sollen sie gesagt haben. Und: "Heute bist du dran!" Dass er selbst beleidigend geworden ist, streitet der Mann dagegen ab. "Hau ab! Du, Rucksack, du!" soll er laut den beiden Zeugen gesagt haben, auch schlimmere Ausdrücke sollen gefallen sein. "Ich habe diese Äußerungen nicht gemacht, das lässt meine Kinderstube nicht zu", beteuert der Rentner.
Per Handy gefilmt
Die Amtsrichterin kann ihm keinen hundertprozentigen Glauben schenken. denn wie geplant haben Vater und Sohn die Begegnung Anfang März mit dem Handy gefilmt. Im Gerichtssaal lässt sich Oertwig die Szenen noch einmal vorspielen. Das Wort mit A..., über das die Zeugen klagen, kann sie nicht vernehmen; aber an einem Detail hat sie keinen Zweifel: "Sie sagen: Du Rucksack." "Du Rucksack" ist aber eine Beleidigung, die Oertwig in all den Jahren als Strafrichterin noch nicht untergekommen ist. "Ist das ein Schimpfwort?", vergewissert sie sich bei den Zeugen. "Habe ich da eine Wissenslücke? Ist das vielleicht eine Szene-Beleidigung, die ich nicht kenne?" Bei dem Taxi-Unternehmer und seinem Vater hingegen gibt es keine Zweifel. "Rucksack" sei ein "Ersatzwort für etwas anderes", ist sich der Sohn sicher.
Der Ton, in dem der Angeklagte seinen Vater als "Rucksack" bezeichnet hatte, ließe doch keinen Zweifel daran, dass es sich um eine Beleidigung handelt - wenn auch keine gängige. "Das ist eben seine Umgangssprache, die er selbst entwickelt hat." Oertwig will es nun genau wissen. "Wenn ich sagen würde: Du Tragetasche, wäre das dann auch eine Beleidigung?" In der Tat, findet der Sohn. Auch am Empfinden des Vaters hat sich nichts geändert: "Ja, bin ich denn ein Rucksack?", fragt er und antwortet selbst: "Nein, ich bin ein Mensch. Und wenn ich als Sache herunterqualifiziert werde, fühle ich mich beleidigt."
Bis zum Schluss ist Oertwig nicht recht überzeugt. "Über den Ausdruck kann man sich streiten", sagt sie. Eine Geldstrafe hält sie nicht für angemessen, daher stellt sie das Verfahren ein. Ohnehin gehe es bei der Sache doch gar nicht um die Beleidigung an sich: Es gehe um einen Streit zwischen Konkurrenten, das Strafgericht aber sei nicht der richtige Ort, um den Streit auszutragen: "Ich bin mir nicht sicher, ob das hier die richtige Bühne ist. Ich kann den Taxi-Streit nicht lösen." czi