Allersberger gesteht Kindesmissbrauch in 61 Fällen

16.4.2015, 15:00 Uhr

Am 2. Januar 2015 verschaffte sich die 38-jährige Mutter Klarheit. Sie platzierte einen kleinen Wecker mit einer eingebauten Kamera im Wohnzimmer. Der Wecker war "ein etwas merkwürdiges Werbegeschenk", erklärt sie vor der Jugendkammer I des Landgerichts Nürnberg-Fürth. Es kostet sie sichtlich Mühe, im Zeugenstand die Fassung zu wahren.

Mit den Aufnahmen ging sie am 3. Januar 2015 zur Polizei. Einen Tag später wurde ihr Lebensgefährte festgenommen. Seither sitzt er in Untersuchungshaft und Staatsanwältin Andrea Elfrich wirft ihm sexuellen Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in 61 Fällen vor.

Kamera zeichnete alles auf

Die Anzahl der Fälle wurde während des Ermittlungsverfahrens errechnet: Der Angeklagte und seine zehn Jahre ältere Lebensgefährtin lernten sich vor vier Jahren kennen und zogen zusammen. Seit Juli 2013, da war das Mädchen gerade einmal elf Jahre alt, küsste, begrabschte und befummelte er es. Immer im Wohnzimmer, immer, als er sich auf dem Sofa sitzend eng an das Kind schmiegte. Der letzte sexuelle Übergriff ereignete sich am 2. Januar 2015 zwischen 21 und 22 Uhr - und an diesem Tag zeichnete die Kamera in dem Wecker alles auf.

Der Angeklagte will die Vorwürfe gar nicht bestreiten, die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gibt er ohne Umschweife zu. "Ich muss bestraft werden", sagt er selbst und kündigt an, sich einer Therapie zu unterziehen - und die Richter nehmen ihm seine Reue ab. Er soll auch in einer Sexualtherapie den Mut finden, so ehrlich mit den Therapeuten zu sprechen, heißt es in der Urteilsbegründung. Er habe versucht, dem Mädchen ein guter Vater zu sein, beteuert der Angeklagte. Sie hat mich "Papa" genannt, sagt er und weint. Mit einer heftigen Bewegung wischt er sich die Tränen von den Wangen, die Scham steht ihm ins Gesicht geschrieben.

Das Sexualleben mit seiner Lebensgefährtin war eingeschlafen, doch er habe das geregelte Leben behalten wollen, sagt er, das gute Verhältnis zur übrigen Familie. In Allersberg hatte das Paar auch mit den Eltern der Kindsmutter zusammen gewohnt.

Und während sich die Großeltern um das Mädchen kümmerten, gingen die Mutter und ihr Lebensgefährte arbeiten. Doch diesen Traum vom heilen Familienleben ließ der Angeklagte selbst platzen, wie es in der Urteilsbegründung heißt. Er hörte mit seinen sexuellen Übergriffen auch nicht auf, als "die Warnlampen längst leuchteten".

Die Mutter: Ungläubig

Bereits im Herbst 2013 deutete das Mädchen seiner Mutter in einem Streitgespräch die sexuellen Übergriffe an. Doch als es merkte, wie schockiert diese war, nahm das Kind die Vorwürfe zurück - behauptete, es wollte nur Aufmerksamkeit und hätte das Wissen über Sexualität in Wirklichkeit nur aus Büchern. An sie selbst habe keiner Hand angelegt. Die Mutter suchte dennoch eine Beratungsstelle mit dem Mädchen auf. Und der Angeklagte machte einfach weiter. Verdrängte, dass sich das Mädchen erneut seiner Mutter anvertrauen könnte.

Das Leben der Frau ist völlig aus dem Ruder gelaufen. Sie vertraute ihre Nöte im Januar ihrem Chef an, verlor drei Tage später ihren Job. Sie nimmt Antidepressiva, benötigt eine Therapie und leidet unter hohem Blutdruck. Ihre Tochter will mit ihr über die Vorfälle bislang nicht sprechen - eine Therapie ist jetzt, nach Abschluss des Strafverfahrens, angedacht.

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