Tote Hose in Roth: Ist die Fußgängerzone schuld?

27.9.2015, 11:44 Uhr
Tote Hose in Roth: Ist die Fußgängerzone schuld?

© Gsänger

Sie hat sich die Kreisstadt Roth angeschaut. Erschrocken sei sie gewesen. Ladenleerstände, wenig Kundenfrequenz, zum Teil üble Häuserfassaden und ein Marktplatz ohne Autos. "Gebt den Durchgangsverkehr wieder frei, sonst ist Roth tot.“ Erst in Städten mit über 20.000 Einwohnern rentiere sich nachweislich eine Fußgängerzone“, sagt Erika Gruber, Vizepräsidentin der IHK Mittelfranken, Vorstandsmitglied des Handelsverbands Weißenburg-Gunzenhausen, Stadträtin in Gunzenhausen sowie Kreisrätin und „Einzelhändlerin mit Leib und Seele“.

Erika Gruber war Gastreferentin beim Einzelhandelsverband Roth. Ihr Thema „Durchgangsverkehr Innenstadt“. Nein, nicht nur in Roth rumort es im Einzelhandel. Auch in Gunzenhausen seien die Diskussionen in Sachen Fußgängerzone groß gewesen.

Die Rahmenbedingungen müssten stimmen, sagt sie. Damit sich die inhabergeführten Geschäfte am Ort auf Dauer halten können. Zu sehr jedoch werde der Einzelhandel in den Stadtzentren von Bestimmungen und Bauverordnungen geknebelt und durch Stadtratsentscheidungen behindert. Beispiel Gunzenhausen. Zuerst sei der Beschluss für eine Fußgängerzone trotz vieler Gegenstimmen gefasst worden, um nach wenigen Wochen zu erleben, dass die Kundenfrequenz ständig abnimmt. „Wir Einzelhändler mussten darunter leiden, haben unsere Läden verdunkelt, um zu demonstrierten, dass die Stadt langsam ausstirbt“. Und, so Gruber, „was nützt eine historische Innenstadt, wenn dort kein Leben mehr pulsiert“.

Negative Stimmung wirkt sich auf Kunden aus

Also wurde die Fußgängerzone zurückgenommen und eine verkehrsberuhigte Zone geschaffen. Jetzt steht die Erhöhung der Parkgebühr auf der Tageordnung. Die Gebühr könnte doch der Einzelhandel zurückerstatten, hätten Teile des Stadtrats allen Ernstes gesagt. „Aber wir zahlen doch schon Gewerbesteuer“, entrüsteten sich die Einzelhändler. Eine negative Stimmung in einer Stadt wirke sich letztlich auch auf jeden einzelnen Kunden aus, und der entscheide ganz allein, ob eine Stadt lebensfähig ist.

Und auch hinsichtlich der Kommunalen Parküberwachung warnte sie vor übertriebenem Aktionismus. „Ohne geht es tatsächlich nicht mehr“, sagt Gruber. Entscheidend aber sei, wie miteinander umgegangen wird. „Nicht gleich mit Ablauf der Parkzeit die rote Karte zücken. Es sind oft Kleinigkeiten wie diese, die Kunden auf Dauer vergraulen können“.

Miteinander reden

Es sei gerade in einer Kleinstadt unheimlich wichtig, so Gruber, dass Politiker vor Ort nicht über Einzelhändler reden, sondern sich mit ihnen zusammensetzen und sich deren Sorgen und Nöte anhören. Dann würden die Mandatsträger schnell erkennen, wie schwer es heutzutage ist, ein Geschäft zu führen. „Denn der Einzelhandel stirbt leise und mit jeder Aufgabe eines Geschäfts geht auch ein Stück Stadtkultur, Tradition, Attraktivität und Lebensqualität verloren“.

Gruber erinnert in diesem Zusammenhang an die zunehmende Konkurrenz mit den Verbrauchermärkten an der Peripherie, den anwachsenden Einkauf übers Internet und die immer älter werdende Gesellschaft. All diese Aspekte müssten bei Entscheidungen der Politiker, die die Einzelhändler betreffen, berücksichtigt werden. Nur wenn eine Stadt über florierende Geschäfte verfüge, könnten die Einzelhändler auch in ihre Außenfassaden investieren. „Wenn wir Aktionen planen und von Einzelhändlern dafür einen Obolus verlangen, sind oft 200 Euro zu viel. Ganz zu schweigen davon, dass die Filialisten überhaupt kein Interesse für die Stadt zeigen.“

Fußgängerzone ein Dogma

Und in Roth? Bürgermeister Ralph Edelhäußer erinnert, dass die Fußgängerzone in Roth für bestimmte Kreise, namentlich die SPD, ein Dogma sei und eine Aufweichung ein Verrat an den Altvorderen bedeuten würde. Er aber sei angetreten, die an der Stadtentwicklung beteiligten Kräfte zusammenzuführen um Verbesserungen zu erreichen. Doch allein schon die probeweise Einführung einer teilweisen Öffnung des Marktplatzes für den Verkehr über die Traubengasse hätte zu emotionalen, ja sogar teilweise aggressiven Diskussionen geführt. Die Einzelhändler haben zwar den Probebetrieb begrüßt, doch „ich hätte mir mehr Rückhalt durch den Einzelhandel gewünscht“, erinnert Edelhäußer, der auf einige Errungenschaften verwies wie die Wecklastaste und das Fassadenprogramm als flankierende Maßnahmen.

„Da die vorhandenen Verkaufsflächen in den Häusern im Stadtzentrum viel zu gering sind, würde es sich anbieten, auch mal Gespräche mit Hausbesitzern zu führen, ob nicht zwei Ergeschosse zusammengeführt werden können“, empfahl Gruber den Einzelhändlern. Sie selbst habe es so gemacht - mit Erfolg.

Gute Zeiten mit Durchgangsverkehr

Leonhard Steib, Stadtrat und langjähriger Einzelhändler, konnte sich noch gut an die Zeit erinnern, als der Durchgangsverkehr durch die Innenstadt floss. Damals hätte der Einzelhandel eine gute Entwicklung genommen, die jedoch mit Einführung der Fußgängerzone total eingebrochen sei. „Damit haben wir wesentliche Teile unserer Kundschaft ausgesperrt, die dann anderswo eingekauft haben. Da können wir noch so gute Beratung und Servie bieten“, meint er. „Mit einer Öffnung des Marktplatzes könnte endlich auch das Parkchaos vor der Post der Vergangenheit angehören“, warf Elisabeth Bieber ein.

Wenn man es schafft, die Bevölkerung zu überzeugen und mitzunehmen und dem Bürgermeister und dem Stadtrat eine große Anzahl Unterschriften überreicht, könnte ein Stimmungsumschwung einsetzen und eine Rücknahme in greifbare Nähe rücken, empfiehlt Gruber. „Wenn sich der Einzelhandel in der Diskussion jedoch zu stark aus dem Fenster lehnt, könnte es zu Konflikten mit den Kunden kommen, die anderer Meinung sind“, warnt Elisabeth Bieber, FW-Stadträtin und frühere Einzelhändlerin. Aber Basisarbeit wollen alle anwesenden Einzelhändler schon mal leisten, nämlich mit den Kunden ins Gespräch kommen, deren Meinung zur Abschaffung der Fußgängerzone hören und wenn ein Stimmungsumschwung erkennbar ist, dies mit Unterschriftensammlungen bekräftigen.

Und was sich die Einzelhändler noch wünschen sind Schrägparkplätze in der Innenstadt. Und dass der Platz vor der Kirche wieder Parkplatz wird. Edelhäußer dämpft aber auch Hoffnungen auf einen kleineren Stadtbus. „Geht nicht, ist viel zu teuer“. Aber hinsichtlich der Buslinie sollte eine bessere Lösung möglich sein, meint er. Auch die mit hohen Fördergeldern finanzierte Pflastung dürfe nicht herausgerissen werden, macht der Rathauschef aufmerksam. „Da ist die Zeit noch nicht reif“.

Nach zweieinhalbstündiger Diskussion kommen Einzelhandelsverbandsvorsitzender Uwe Heyer, die anwesenden Einzelhändler und der Bürgermeister überein. „Eine einzige Chance für eine Öffnung des Marktplatzes gibt es noch. Scheitern die Bemühungen, wird es für lange Zeit die letzte gewesen sein“, nimmt der Rathauschef das Schlusswort vorneweg.

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