„Ein heiliger Ort der Täter“

12.7.2011, 00:00 Uhr
„Ein heiliger Ort der Täter“

© Unterburger

Im Jahr 2007 wurde die Doktorarbeit „Frankens braune Wallfahrt. Der Hesselberg im Dritten Reich“ von Dr. Thomas Greif veröffentlicht.

Sie untersucht das erste Mal wissenschaftlich die sieben „Frankentage“ von 1933 bis 1939 (sowie vier weitere Veranstaltungen vor 1933) des radikalen Antisemiten und „Frankenführer“ Julius Streicher. Bis dahin war nur Fachleuten die Bedeutung und das Ausmaß der „Frankentage“ bewusst. Die „Frankentage“, bei denen sich Julius Streicher als „Frankenführer“ feiern ließ, zählten neben den Reichsparteitagen in Nürnberg zu den größten Massenveranstaltungen in Bayern zu jener Zeit.

Der „KOMM-Bildungsbereich“ aus Nürnberg nahm die Doktorarbeit zum Anlass, die Wanderausstellung „Der Hesselberg. Ein ‚heiliger‘ Ort der Täter“ auf Grundlage des Buches zu erarbeiten. Sie entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Autor.

„Das Thema ist ernst und gehört zu unserer Geschichte“, sagte Bürgermeister Ralph Edelhäußer bei der Ausstellungseröffnung. „Es ist wichtig, die Jugendlichen über die perversen Ideen des Nationalsozialismus zu informieren.“ Und: „Wir wollen uns der Vergangenheit stellen.“ Edelhäußer erinnerte daran, dass in Roth die Diskussion über den ehemaligen Rother Bürgermeister Dr. Robert Groß viele Menschen stark berühre.

„Die Ausstellung verfolgt mit Hilfe von historischem Bildmaterial, Texten und Werbematerialien wie auch mit Ton- und Filmaufnahmen das Ziel, den Hesselberg als einen vergessenen Ort der Täter in das Bewusstsein zurück zu holen“, erklärte Rainer Büschel vom „KOMM-Bildungsbereich“. „Dabei soll aufgezeigt werden, weshalb der Hesselberg als Kult-Ort ausgewählt wurde, wie sich die Feiern auf dem Berg im Laufe der NS-Herrschaft veränderten und wie es möglich sein konnte, dass der Ort nach dem Ende des „Tausendjährigen Reichs“ in Vergessenheit geriet.“

Der junge Historiker Dr. Thomas Greif führte die Besucher der Vernissage durch die Ausstellung und gab historische Erläuterungen zu den großformatigen Bildtafeln, auf denen die NS-Zeitungen und Fotografen die „Frankentage“ auf Fotos festgehalten haben. „Der Hesselberg übt seit 8000 Jahren eine große Ausstrahlung auf die Menschen aus“, erklärte Greif. „Vor allem im Dritten Reich spielte er eine prominente Rolle.“

Für den selbsternannten „Frankenführer“ Julius Streicher hat der Hesselberg eine zentrale Rolle gespielt. Dies wird auch in der Ausstellung durch viele Fotos und Texterläuterungen deutlich. „Ohne Streicher und seine persönliche Faszination für diesen Berg hätte es das Spektakel der jährlichen Frankentage gar nicht gegeben“, hob Dr. Thomas Greif hervor. „Mit den Frankentagen hat sich Streicher seinen eigenen kleinen Reichsparteitag geschaffen.“

Die „Frankentage“ hätten zudem, ebenso wie ähnliche Veranstaltungen des NS-Regimes, alle Merkmale von Großveranstaltungen der Massengesellschaften des 20. Jahrhunderts getragen. Hunderttausende von Besuchern seien jährlich von Nürnberg und weiten Teilen Mittel- und Oberfrankens sowie Teilen Baden Württembergs angereist. Hitler dagegen sei nur ein einziges Mal auf dem Hesselberg gewesen.

„Streicher war der Prophet, Hitler der Messias und der Hesselberg war der heilige Berg“, brachte es Dr. Greif auf den Punkt. „In Wirklichkeit war Streicher, der ironischerweise gar kein Franke war, vulgär, cholerisch, aggressiv und man nannte ihn nicht ohne Grund  den ,blutigen Zaren von Nürnberg’“, so Dr. Greif weiter. „Allerdings hat er den Bogen der Brutalität überspannt und hat bei der Arisierung in die eigene Tasche gewirtschaftet.“

Bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen wurde er 1946 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Tode durch den Strang verurteilt und hingerichtet.

Die Ausstellung will junge Menschen ebenso erreichen wie historisch interessierte Erwachsene. Gezeigt wird, wie und weshalb es in der Verantwortung der Einzelnen lag, dass der Nationalsozialismus erfolgreich sein konnte und dass es sich eben nicht, um ein „durch einen Demagogen verführtes Volk“ handelte. Antisemitismus, Volksgemeinschaft und pseudoreligiöser Führerkult trafen vor allem in den protestantisch bäuerlichen Bevölkerungsschichten auf breite Zustimmung.

Die Ausstellung „Der Hesselberg – ein ´heiliger´ Ort der Täter“ im Museum Schloss Ratibor ist zu sehen bis 4. September. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 13 bis 17 Uhr.