Fischefreundliche Turbinen in Hofstetten

28.9.2016, 16:19 Uhr
Fischefreundliche Turbinen in Hofstetten

© Foto: Thomas Hauser

Klaus Winkelmair vom Wasserwirtschaftsamt in Nürnberg spricht einen der großen Vorteile der Wasserkraft gegenüber der Wind- und Solarenergie an: „Wasserkraftwerke sind grundlastfähig, das heißt, dass konstant Strom erzeugt werden kann. Während bei den anderen Formen regenerativer Energiegewinnung die Sonne scheinen und der Wind wehen müssen, fließt das Wasser beständig und liefert zu jeder Zeit Strom.“

Trotzdem kann nicht einfach jeder beliebige Bach zur Energiegewinnung genutzt werden. „Wasserkraftwerke dürfen nur unter bestimmten Bedingungen errichtet werden“, sagt Winkelmair weiter und zählt die zu berücksichtigenden Punkte auf: „Es müssen Stellen sein, an denen schon ein Querbauwerk, also ein Hindernis im Wasserlauf, vorhanden ist. Außerdem müssen Fische sowohl flussauf- als auch flussabwärts wandern können, und die Turbinen müssen fischverträglich sein.“

Turbinen töten Tiere

Und genau das ist Stand heute oftmals der Knackpunkt. Die Standard-Turbinen fügen den Fischen Verletzungen zu, die im schlimmsten Fall zum Tod führen, wie Alisa Kutzer von der TU München weiß. „Die Turbinen und die Rechen davor können den Fischen sowohl äußerlich als auch innerlich schaden“, erklärt die studierte Biologin. „Es wurden bei verendeten Fischen zum Beispiel Rückgratverkrümmungen gefunden, die von Wasserkraftwerken verursacht wurden.“

Im Auftrag des Bayerischen Umweltministeriums gehen Alisa Kutzer und ihre Kollegen im Projekt „Fischökologisches Monitoring an innovativen Wasserkraftanlagen“ der Frage nach, ob neue Systeme zur Nutzung der Wasserkraft die Fische weniger schädigen als die momentan verwendeten.

Es ist die erste groß und breit angelegte Untersuchung zu diesem Thema. Laut Winkelmair gibt es bis dato nichts Vergleichbares. Man erhoffe sich vor allem wissenschaftlich fundierte Aussagen und belastbare Zahlen zu diesem viel diskutierten Komplex.

Systematisches Erfassen

Fischmonitoring nennt sich das, was die Forscher am Heckerwehr bei Hofstetten seit Mitte September im zweiten Teil der Untersuchung betreiben. Damit ist die systematische Erfassung der Fische gemeint, die die dort installierte Wasserkraftschraube passiert haben. Diese erinnert an eine überdimensionierte archimedische Schraube und dreht sich verhältnismäßig langsam und damit fischfreundlich.

„Hauptsächlich wird bei dem Projekt der Fischabstieg untersucht, an diesem Standort jedoch auch der Aufstieg“, so Fabian Gräfe, gelernter Fischwirt und technischer Angestellter der TU München. „Wir untersuchen zum einen den natürlichen Fischabstieg, zum anderen werden Fische oberhalb der Wasserkraftschraube eingesetzt, um gezielt die Wirkung auf bestimmte Arten zu untersuchen.“

Dies ist notwendig, um in kürzerer Zeit mehr verwertbare Daten zu generieren als durch den natürlichen Abstieg allein. Durch das Einsetzen der Fische passieren weit mehr Tiere die Schraube, sodass die Forscher bei gleicher Datenmenge weniger Zeit an einem Ort verbringen müssen.

Insgesamt werden an neun verschiedenen Standorten in Bayern Untersuchungen durchgeführt, die sich entweder im Detailaufbau der Anlagen oder aber gleich in der Art des Kraftwerks unterscheiden. Getestet werden außer dieser Wasserkraftschnecke beispielsweise auch „bewegliche Kraftwerke“ oder „Very Low Head-Turbinen“, die sich sehr langsam drehen.

Fische werden untersucht

Alisa Kutzer, Fabian Gräfe und ihre Kollegen fangen die Fische nach dem Passieren der Schnecke in speziellen Netzen, sogenannten Hamen, und untersuchen die Tiere auf Vitalität, Quetschungen, Risse und allgemein den äußeren Zustand. Dann werden Barben, Barsche, Bachforellen, Rotaugen und Konsorten 96 Stunden lang verwahrt, um eventuelle Spätfolgen der Kraftwerksdurchquerung festzustellen und zu dokumentieren.

„Die Netze werden alle zwei Stunden geleert“, sagt Gräfe und blickt auf das untere Ende der sich beständig drehenden Schnecke. „Pro Leerung finden sich beim natürlichen Fischabstieg zwischen fünf und zehn Fische in den Netzen, bei den Fischaussetzungen sind es um die 100.“ Alle drei bis vier Tage wird zwischen den beiden Methoden gewechselt. Davon abhängig ist auch die Größe des Teams. Die Zahl der Mitarbeiter, die am Heckerwehr arbeiten und in Containern des Wasserwirtschaftsamtes leben, schwankt zwischen fünf und 15.

Das Ergebnis der Untersuchung jedes einzelnen Fisches wird akribisch in die Datenblätter eingetragen. Dies soll eine lückenlose und umfassende Analyse der Wirkung der Wasserkraftschnecke gewährleisten.

Begonnen hat die Untersuchung im Frühjahr dieses Jahres, als die Mitarbeiter der TU München für vier Wochen in Hofstetten zugange waren. Nach weiteren vier Wochen im Herbst soll die Datenerfassung Mitte Oktober beendet sein, der Abschlussbericht soll laut Winkelmair im Frühjahr 2017 vorliegen.

Positive Prognose

Das Projekt an sich läuft noch bis zum Jahr 2020. Strom produziert die Anlage natürlich auch, laut Winkelmair rund 2000 Kilowatt am Tag. Ob dafür weniger Fische geschädigt werden als an anderen Wasserkraftwerken, wird der Abschlussbericht zeigen. „Subjektiv gesehen haben wir keine toten Fische in den Netzen. Alle kommen heil durch die Schnecke“, wagt Alisa Kutzer eine inoffizielle Prognose.

Das dürfte Tier- und Naturschützer freuen, die Angler ebenso – und ganz sicher auch die Barben, Rotaugen und Bachforellen in der Roth.

Keine Kommentare