Gepackt vom Virus des Blues

21.4.2012, 00:00 Uhr
Gepackt vom Virus des Blues

© von Draminski

Herr Huke, wie geht es Ihnen gesundheitlich?

Huke: John Lee Hooker hat mit Santana vor Jahren den Titel „Blues is the healer“ aufgenommen und Van Morrisson hat damals das Album „The healing game“ vorgelegt. Dass der Blues der Seele gut tut und damit auch die Genesung unterstützt, habe ich am eigenen Leib erfahren, weil ich beide Platten im Krankenhaus täglich hörte: Nach meinem Schlaganfall im Dezember habe ich mich nicht zuletzt dadurch eigentlich relativ schnell wieder erholt, so dass ich mich wieder fit genug fühle, das Festival mit 40 Konzerten in zehn Tagen zu stemmen.

Ende 1991 wurde die Jegelscheune als neuer Veranstaltungsort der Marktgemeinde Wendelstein eröffnet. Welche Konzeption stand hinter diesem Projekt?

Huke: Da muss ich etwas ausholen: Der Auftrag vom Gemeinderat lautete 1984 bei meinem Amtsantritt einfach, ein kommunales Kulturangebot als Alternativprogramm zum kulturellen Angebot der Vereine Wendelsteins zu organisieren und jede Konkurrenz zu vermeiden. Das hieß zum Beispiel: keine Chormusik, keine Tanzmusik, keine Blasmusik. Das Programm musste in den Mehrzweckhallen mit ihrem spröden Charme stattfinden. Ab 1988 veranstaltete ich die ersten Konzerte mit Musikern aus New Orleans — oft als bis zu dreitägige „New-Orleans-Weekends“. Das war einzigartig in der Region. Das Konzept für die Jegelscheune ab 1991 hieß und heißt für mich jetzt noch: „Profilierung durch Spezialisierung“, also ein Abwenden vom sehr breit gestreuten und damit für mich gesichts- und konturlosen Angebots-Spektrum, das es jedem recht machen will – aber letztendlich ja doch nicht kann.

Aber anfangs gab es doch sogar Operetten-Klänge.

Huke: Auch ich startete beim „Wendelsteiner Sommer“ fast drei Jahre lang mit einem Programm, das von der Operette über klassische Konzerte bis hin zum Flamenco reichte, ich machte Kabarett und Comedy, Jazz und Folk.

Wie kamen Sie überhaupt auf New Orleans?

Huke: Ich hatte in der nordbayerischen Kulturangebotslandschaft weißen Flecken entdeckt: New Orleans und Blues hießen die Zauberwörter, die nirgendwo außer in Wendelstein auftauchten. Ich begann, enge Kontakte zur Musikerszene von New Orleans zu suchen. Und hier begann die Profilierung durch das Spezialisieren  auf diese Schwerpunkte, und die Jegelscheune bekam dadurch ihr Gesicht und Profil, ihren ganz eigenen Charakter.

Mehr als 20 Jahre gab es den „Wendelsteiner Sommer“. Was war unter dieser Wortschöpfung zu verstehen?

Huke: Diese Wortschöpfung wurde mir 1984 vom Marktgemeinderat vorgegeben — obwohl ich wegen der Hitze in den Hallen im Sommer nichts präsentierte und nur von September bis März  Kulturangebote machte. Aber für die Journalisten war es natürlich ein gefundenes Fressen: Viele Artikel begannen mit Zeilen wie: „In Wendelstein gehen die Uhren anders. Dort war am Wochenende wieder mal Sommer, Wendelsteiner Sommer eben.“

Warum haben Sie einige Musiker immer wieder eingeladen?

Huke: Es gibt Künstler, bei denen es einfach eine Ehre für uns ist, dass sie in dem kleinen Club mit 100 Plätzen auftreten und den gewohnten Hallen mit den größeren Verdienstmöglichkeiten vorziehen. Und wenn sie uns das anbieten, dann muss man einfach zuschlagen.

Mit manchen Künstlern haben sich richtige Freundschaften entwickelt. Huke: Da sind beispielsweise John Hammond, Charly Musselwhite, Del Castillo, Patricia Vonne, Eric Bibb, Duke Robillard, Bryan Lee, Hans Theessink, Toscho Todorovic, Axel Zwingenberger, Chris Jagger, Neal Black, Steve Gibbons, Birelli Lagrene, Christian Willisohn, Peter Schneider, Ludwig Seuss und viele andere. Die schauen öfter auch mal privat auf einen Kaffee rein, wenn sie auf der Autobahn an Wendelstein vorbeifahren. Oder wir treffen uns im Urlaub. Einige meiner Freunde sind leider nicht mehr unter uns. Wir werden sie nie vergessen.

Was macht den besonderen Reiz der Jegelscheune aus?

Huke: Dass die Qualität der Musik immer stimmte. Dass die Akustik dort vom Feinsten ist und dass sie sich ganz wesentlich von dem klischeehaften, leicht schmuddeligen Image, das Blues- und Jazz-Clubs im allgemeinen zugerechnet wird, unterscheidet:  Alles ist gepflegt. Das Publikum verhält sich sehr konzertant: Es hört ruhig zu. Nicht zu  vergessen ist auch das familiäre Flair und der freundliche Umgangston zwischen Künstler und Publikum,

Wie haben Sie es geschafft, dass Künstler von Weltruf für eine relativ geringe Gage in der Jegelscheune gespielt haben?

Huke: Vor rund 20 Jahren war der Trompeter Oskar Klein der Türöffner in die renommierte Jazz-Szene. Als er das erste Mal in der Jegelscheune gespielt hatte, rief der berühmte Schlagzeuger Charly Antolini bei mir an: „Wenn Oskar da gespielt hat, muss es  ein guter Club sein, da will ich auch  spielen.“ Und so ging es dann immer weiter. Der gute Ruf der Jegelscheune verbreitete sich in der Szene, und so konnten echte Weltstars  wie etwa Charlie Byrd, Herb Ellis, Richard Galliano für die Jegelscheune gewonnen werden, vor allem, wenn der Rest der jeweiligen Tour gut verkauft war. Wichtig war auch, dass sich die Jegelscheune über die Jahre einen Namen als internationaler Blues- und Jazzclub gemacht hatte, der durch Berichte in Fachzeitschriften wie dem „Rolling Stone“ bei den Musikern bekannt wurde.

Neben dem Musikangebot in der Jegelscheune haben Sie auch das New Orleans Music Festival Wendelstein initiiert. Dieses Festival ist ein enormer Publikumsmagnet geworden. Bis zu 30 000 Besucher kommen jährlich. Erfüllt Sie das mit Stolz?

Huke: Ja. Aber über 30000 BesucherInnen hatten wir nur einmal, dann musste ich zurückrudern und weniger Konzerte anbieten, weil die Personaldecke nicht mehr ausreichte und uns das Festival über den Kopf zu wachsen drohte. In der Regel haben wir immer ungefähr so viele BesucherInnen hier wie Wendelstein Einwohner hat. Das bewegt sich immer so um die 15000.

Haben Sie sich mit der Jegelscheune und dem Festival einen Lebenstraum erfüllt?

Huke: Ja, aber mehr konnte ich einfach nicht leisten. Das Thema Kultur ist mit einem normalen Arbeitstag nicht abzuarbeiten, das Privatleben bleibt da mehr oder weniger auf der Strecke. Aber wenn einen einmal der „Virus of the blues“ (Song von „Charles Brown und Dr. John“) gepackt hat, macht man das sehr gerne. Und ich würde es immer wieder tun...

Was wäre Ihr Wunsch für die Zukunft?

Huke: Jeder Kulturschaffende hat seine eigene Handschrift und setzt eigene Schwerpunkte. Das hat auch was mit der Kompetenz und Liebe zu tun, die er oder sie für welche Art von Musik einbringen kann. Ich würde mir natürlich wünschen, dass es in Wendelstein mit Blues und Jazz auf hohem Niveau weitergeht, denn Wendelstein hat einen hart erarbeiteten internationalen Ruf auf diesem Gebiet zu verteidigen.

Im März 2013 gehen Sie in den Ruhestand. Wird die Musik Sie auch im Ruhestand begleiten?

Huke: Ja, ohne sie kann ich mir ein lebenswertes Leben nicht vorstellen.

 

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