Landkreis-SPD: Die richtige Antwort zur richtigen Zeit ?

13.10.2017, 17:03 Uhr
Landkreis-SPD:  Die richtige Antwort zur richtigen Zeit ?

© Foto: Gerner

Ist Marcel Schneider ein guter Landtagskandidat? Diese Frage wird man frühestens im Wahlkampf beantworten können. Wäre Marcel Schneider ein guter Landtagsabgeordneter? Wir wissen es erst im Herbst 2018, und auch nur dann, wenn der Plan der Landkreis-SPD aufgeht.

Immerhin: Der Plan verspricht Spannung. Die SPD hat ja nach der Ära Peter Hufe bei Landtagswahlen alles versucht. Hat zunächst eine Frau ins Rennen geschickt (2008, Christine Rodarius) und dann die Zukunft der Partei (2013, Sven Ehrhardt). Ohne Erfolg. Jetzt soll es einer ohne sozialdemokratischen Stallgeruch richten: politischer Quereinsteiger, Handwerksmeister, ein bisschen Paradiesvogel, bekennend schwul, manchmal ein wenig anstrengend, aber ausgestattet mit einem riesengroßen Herzen für Kinder auf der Schattenseite des Lebens. Marcel Schneider ist zumindest anders als die Masse der Kandidaten. Seine ersten politischen Statements bei seiner Vorstellung in seinem Friseursalon in Rednitzhembach waren eines Sozialdemokraten angemessen. Da ging es um Rente, um Altersarmut, um eine ordentliche Entlohnung für Arbeit, um Gerechtigkeit. Alles wichtige Dinge, die aber tendenziell eher in Berlin verhandelt werden denn im Landtag in München. Macht aber nichts. Schneider selbst sagt, dass er ein Lernender sei. Das ist schon mal ein Anfang. So viel Demut ist in der Politik ansonsten nicht oft zu finden. ROBERT GERNER

Der logische Kandidat für die Sozialdemokraten wäre auf den ersten Blick eigentlich ihr Kreisvorsitzender gewesen. Sven Ehrhardt, 29, hat schon als Direktkandidat 2013 ein ordentliches Ergebnis eingefahren. 25 Prozent der Erststimmen – fünf Prozent mehr als der bayerische SPD-Schnitt – reichten für ihn persönlich aber nicht, weil er über die Zweitstimme zu wenig Unterstützung bekam. Er war außerhalb des Land- und Wahlkreises Roth einfach zu unbekannt.

Bestens vernetzt

Dieses Problem hat Marcel Schneider nicht. Der Promi-Friseur ist zwar erst 2015 in die SPD eingetreten, aber jenseits der Politik bestens in der Region vernetzt: als Inhaber eines großen Salons in Nürnberg, in dem die fränkische Bussi-Bussi-Gesellschaft ein- und ausgeht; als offizieller Opernball-Coiffeur; als Gastgeber von Benefiz-Galas, mit denen er bislang fast 400 000 Euro für benachteiligte Kinder und Tiere in Not eingespielt hat; und nicht zuletzt als bekennender Schwuler.

Mit Schneider bekommt die alte Tante SPD ein bisschen Glamour-Faktor. Und Schneider selbst verspricht, sollte er es tatsächlich nach München schaffen, "frischen Wind ins Parlament" bringen zu wollen.

Zwei Wege ins Parlament

Für Landtagskandidaten führen in Bayern zwei Wege ins Maximilianeum. Der einfachste, direkte Weg heißt "Erststimme". Wer von den Direktkandidaten der jeweiligen Parteien im jeweiligen Wahlkreis am meisten Zuspruch bekommt, zieht als direkt gewählter Abgeordneter in den Landtag ein. Dass Marcel Schneider diesen Weg beschreiten wird, ist eher unwahrscheinlich. Zu groß ist die Dominanz der CSU, die 2013 alle bayerischen Direktmandate gewann. Zu schwachbrüstig ist die bayerische Sozialdemokratie. Im Wahlkreis Roth hat bisher immer der CSU-Kandidat die Nase vorne gehabt. Auch 2018 wird der 2013 erstmals gewählte CSU-Landtagsabgeordnete Volker Bauer, der kürzlich seine zweite Kandidatur bekanntgegeben hat, kaum zu schlagen sein.

Dann eben über die Liste

Also wird es der SPD-Kandidat Schneider über die Liste versuchen müssen, über die sich die zweite Hälfte des Parlaments rekrutiert. Hier werden Erststimmenergebnis (aus dem eigenen Wahlkreis) und Zweitstimmenergebnis (aus allen elf übrigen mittelfränkischen Wahlkreisen) zusammengezählt. Schneider konkurriert hier also nicht nur mit den Kandidaten der anderen Parteien, sondern auch innerparteilich mit den eigenen mittelfränkischen Genossen um einen Platz weit vorne auf der Rangliste. 2013 schafften es sieben mittelfränkische Sozialdemokraten in den Landtag. Für Sven Ehrhardt blieb nur Platz acht.

Schneider soll es nun besser machen – und damit "die Sehnsucht der heimischen Sozialdemokraten nach einem eigenen Abgeordneten befriedigen", wie es Sven Ehrhardt ausdrückt. Bis 2008 war der Wahlkreis Roth meist mit zwei Parlamentariern in München vertreten, einem von der CSU, einem von der SPD. Doch nachdem 2008 Sozialdemokrat Peter Hufe in den politischen Ruhestand gewechselt war, mussten sich die SPDler aus dem Wahlkreis Roth innerparteilich zu weit hinten anstellen. Weder Christine Rodarius (2008) noch Sven Ehrhardt (2013) war ein persönlicher Triumph vergönnt.

Und jetzt? Marcel Schneider will alles in die Waagschale werfen, mit sozialen und wirtschaftlichen Themen im Wahlkampf punkten. Und auch ein bisschen mit dem Anderssein. "Ich finde, dass nicht nur Juristen und Beamte in unsere Parlamente gehören, sondern auch Handwerker wie ich", sagt er.

Tipps vom Landrat

Wie man auch als Sozialdemokrat in Bayern die Leute überzeugen kann, das weiß kaum einer besser als Herbert Eckstein. Gerade als Landrat zum vierten Mal im Amt bestätigt, eilte der 61-Jährige zur Vorstellung von Marcel Schneider nach Rednitzhembach und gab ihm ein paar Tipps mit auf den Weg in den Wahlkampf: "Bleib’ so unkonventionell wie du bist." "Geh’ auch dorthin, wo sie dir nicht den roten Teppich ausrollen." Und: "Lass’ dich nicht verbiegen."

Marcel Schneider sei ein "spannendes Angebot" an die rund 98 000 Wählerinnen und Wähler im Landkreis. Aber auch an die eigene Partei. Die bayerischen SPD-Abgeordneten kommen inzwischen ja fast ausschließlich aus den Städten, das flache Land ist gewissermaßen verwaist. Vielleicht sei ein "Grenzgänger zwischen Stadt und Land", wie Marcel Schneider, darauf die richtige Antwort zur richtigen Zeit, so Eckstein.

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