Potters Zeitumkehrer wäre nicht schlecht

13.12.2013, 18:26 Uhr
Potters Zeitumkehrer wäre nicht schlecht

© Ammer

Nach mehreren Wochen voller Termine konnte sich Verena Osgyan mal wieder ein paar Stunden bei ihren Eltern im größten Rother Ortsteil frei schaufeln, wo sie nach wie vor ihren Zweitwohnsitz hat. Für Kaffee und Lebkuchen bleibt freilich nicht viel Zeit, denn sie muss den nächsten Zug nach München erwischen. Neben einer Fraktionsvorstandssitzung steht eine Telefonkonferenz mit dem Landesvorstand der Grünen auf dem Programm, am Abend geht es zurück nach Nürnberg, wo der Kreisverband zur Weihnachtsfeier geladen hat, und am nächsten Morgen wieder in ihr Münchener Abgeordnetenbüro.

„Manchmal würde ich mir schon einen Zeitumkehrer wie bei Harry Potter wünschen“, sagt Verena Osgyan und lacht. Da sie aber nicht wie Potters strebsame Freundin Hermine Granger die Zeit immer wieder mal um eine Stunde zurückdrehen kann, muss sie Prioritäten setzen.

Das Abgeordnetenmandat gewähre einem dafür auch die nötigen Freiräume, erklärt die 42-Jährige, die ihre politische Arbeit nicht als Belastung wahrnimmt. „Es ist sehr abwechslungsreich und macht Spaß“, betont sie. Und ihr Mann, der eine kleine Firma für Medienproduktionen besitzt, halte ihr den Rücken frei. „Ich glaube, für ihn ist das auch ein großes Abenteuer.“

Das berufliche Pendeln ist im Hause Osgyan allerdings nichts Neues. Nachdem die Grünen-Politikerin in Nürnberg Kommunikationsdesign studiert hatte, arbeitete sie zunächst für eine Werbeagentur in Erlangen und war dann mehrere Jahre lang bei der ARD als Redakteurin beschäftigt, wo sie unter anderem die Online-Mediathek des Senders mit aufbaute und somit zwischen Nürnberg, München und Mainz hin und her fuhr. Ab 2003 absolvierte sie noch ein Marketing-Studium und arbeitete zuletzt bei der Teambank in Nürnberg im Online-Marketing.

Netzpolitik ist denn auch einer der Schwerpunkte von Verena Osgyan, die sich schon vor gut 20 Jahren mit den neuen Medien beschäftigte und als Abschlussarbeit für ihr Studium eine interaktive CD-ROM zur Geschichte der Fotografie entwickelt hatte. Dafür habe sie damals sogar einen Preis beim Werbe-Festival in Cannes erhalten, merkt ihr Vater Wolfram Osgyan stolz an.

Heute würde man so etwas natürlich auf einer Internet-Plattform realisieren, erklärt seine Tochter, die mittlerweile auch in der Datenschutzkommission des Bayerischen Landtags sitzt und die Bürgerrechte im Internet stärken will. „Private Daten müssen privat bleiben“, fordert Verena Osgyan, die sich auf der anderen Seite für äußerste Transparenz im öffentlichen Bereich stark macht. Außerdem ist ihr der Ausbau der Breitbandversorgung in ländlichen Gebieten ein wichtiges Anliegen.

Ein anderer Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Bildungs- und speziell die Hochschul-Politik im Freistaat, bei der ihrer Ansicht nach allerhand im Argen liegt. G8, Defizite bei der Ganztagesbetreuung, mangelnde Chancengleichheit von Frauen und Männern und die unzureichende Finanzausstattung der bayerischen Universitäten und Fachhochschulen, zählt Verena Osgyan auf, die über solche Dinge auch gerne mit ihren Eltern diskutiert. Schließlich könnten die auf jahrzehntelange Berufserfahrung als Lehrer zurückblicken. Wolfram Osgyan, seit Sommer im Ruhestand, war Schulleiter in Obermässing, seine Frau Helga ist Rektorin der Grundschule Eckersmühlen.

Und wie es derzeit an manchen bayerischen Hochschulen aussieht, hat die 42-Jährige unter anderem durch ihre jüngste Schwester mitbekommen, die in Erlangen in jenem Fachbereich studierte, in dem vor einigen Monaten ein Gebäude wegen baulicher Mängel gesperrt werden musste.

Zum Teil gebe es einen enormen Sanierungsstau in Bayern, kritisiert Verena Osgyan, die für die Grünen auch im Rundfunkrat des bayerischen Rundfunks sitzt. Vergangene Woche nahm sie erstmals an einer Sitzung teil und traf Leute wieder, mit denen sie einst beruflich als Online-Redakteurin zu tun hatte. „War schon eine lustige Situation, denen jetzt als Vertreterin der Politik gegenüber zu sitzen“, erzählt die Landtagsabgeordnete, die über ihren ganzen Aufgaben aber nicht den Kontakt zur Basis verlieren will. Schließlich sei sie im Wahlkampf von einem tollen Team, sowohl in Nürnberg als auch im Landkreis Roth, unterstützt worden.

„Wir Grünen sind ja eine sehr kleine Fraktion und haben nicht so einen großen Mitarbeiterstab wie die großen Parteien“, betont Osgyan. Da sei man auf das Engagement vieler ehrenamtlicher Helfer angewiesen. In ihrem Abgeordnetenbüro in Nürnberg wiederum kann sie auf das Know-how der ehemaligen Mitarbeiterin ihrer Parteifreundin Christine Stahl bauen. Unter anderem bei der Koordinierung der vielen Termine sei deren Erfahrung eine wertvolle Hilfe, erzählt die neue Landtagsabgeordnete, während ihr Smartphone mit leisem Brummen schon wieder den Eingang einer SMS meldet.

Inzwischen sei sie geübt darin, das zu überhören, meint Verena Osgyan, der jetzt aber doch die Zeit auf den Nägeln brennt. Der ICE in Nürnberg und die Arbeit in München warten schon. ANDRÉ AMMER

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