Schluss mit Einrücken

3.1.2011, 17:40 Uhr
Schluss mit Einrücken

© Bodendörfer

Eigentlich ist es an der Otto-Lilienthal-Kaserne wie bei jedem Einberufungstermin in den vergangenen fünf Jahrzehnten. Die Rekruten kommen teilweise einzeln im Pkw, teilweise in Gruppen mit Bussen vom Bahnhof Roth angereist. Alle bepackt mit Reisetaschen und dem Einberufungsbefehl in der Hand. Und doch liegt eine seltsame Stimmung in der Luft. Ein Fernsehteam und Zeitungsreporter haben sich direkt am Eingang der Kaserne postiert, um die vorläufig letzten Wehrpflichtigen zu interviewen und Fotos von ihnen zu schießen. Meist etwas schüchtern geben die jungen Leute Antwort.

Da wäre zum Beispiel der 18-jährige Martin Schmaki. Er ist mit dem Zug aus Paderborn nach Roth gefahren, wo er seinen dreimonatigen Grundwehrdienst leisten wird. Danach geht es für drei weitere Monate nach Fritzlar. Das ist nicht ganz so weit von der Heimat weg. „Ich hab nichts dagegen, dass ich als einer der Letzten einberufen wurde“, sagt er. Ob das wirklich ehrlich gemeint ist? Bei Stafan Assauer aus Olpe hält sich die Begeisterung in Grenzen. „Eigentlich wollte ich jetzt Maschinenbau studieren“, sagt er. Doch dann kam der Bund dazwischen.

„Ich bin freiwillig hier“, erklärt hingegen Charlotte Hemberger aus Würzburg. Sie will sich für vier Jahre verpflichten lassen und bei der Bundeswehr ihr Abitur nachmachen und dann studieren. Hemberger ist damit eine von den 98 Zeitsoldaten, darunter 29 Frauen, die gestern bei der Heeresfliegerstaffel 269 und beim Luftwaffenausbildungsregiment ihren Dienst antraten. Neben den Zeitsoldaten gibt es noch die sogenannten freiwilligen Wehrdienstleistenden, die maximal zwei Jahre bei der Bundeswehr bleiben. 39 von ihnen kamen am Montag nach Roth.

Viel Zeit zum Plaudern bleibt nicht, denn schon geht es weiter mit Ausweis und Einberufungsbescheid an der Pforte vorbei durch die Drehtür zu den jeweiligen Kompanien. Gar nicht so einfach, sich auf dem rieisigen Kasernengelände zurechtzufinden. Schließlich ist Roth nach wie vor mit rund 2800 Soldaten der größte Bundeswehrstandort in Bayern.

Zurück gepfiffen

Wer versucht, die Drehtür zu umgehen, wird gleich von den Diensthabenden an der Pforte zurück gepfiffen. Ordnung muss sein. Das zeigt sich auch an der nächsten Station, wo die Aufnahmeformalitäten erledigt werden. Die jungen Rekruten werden schließlich in ihre Züge und Zimmer aufgeteilt, bekommen ihre Bettwäsche und Leuchtbänder, damit niemand in der Nacht überfahren wird. Danach gibt es etwas zu essen und der Kompaniechef begrüßt die Neuankömmlinge, erklärt Kompaniefeldwebel Gabriel Papadopoulos.

So weit die Theorie. Einen Block weiter kämpfen vier „Neue“ in ihrer Stube mit weißen Bettlaken und Kopfkissen. Betten überziehen will gelernt sein. „Ich hab das schon mal gemacht“, meint Christian Friedrich aus Thüringen, „allerdings mit einem Spannbettlaken. Das war viel einfacher.“ Der 20-Jährige findet es „cool“ bei der Bundeswehr zu sein. Ebenso sein Stubenkollege Philipp Barwanetz aus Brandenburg. „Mir gefällt der harte Ton bei der Bundeswehr“, so seine Aussage. „Na ja, das halbe Jahr wird schon irgendwie rumgehen“, meint hingegen Stubenkamerad Peter Frischmuth aus Erfurt und kämpft weiter mit seiner Matratze.

Der Verdienst lockt die jungen Leute wohl kaum zur Bundeswehr. 310 Euro Grundsold gibt es im Monat. Dazu kommt ein Mobilitätszuschlag in Höhe von bis zu 200 Euro, je nachdem wie weit die Anreise ist.

Ausbilder, Mark Sperk, will nicht länger zusehen und gibt den Jungs Tipps, wie das mit dem Bettenüberziehen leichter von der Hand geht. Ob

er weiterhin Ausbilder sein wird? Er denkt schon. Schließlich soll es ja künftig einen freiwilligen Militärdienst geben, der zwölf bis 23 Monate dauern soll. „Mal sehen, was kommt“, so der Stabsgefreite.

Alle Hände voll zu tun hat in diesen Tagen auch Josef Benz, der Leiter der Servicestation, der früheren Kleiderkammer. Zunächst findet nur die Voreinkleidung statt. Soll heißen: Die Rekruten bekommen Nässeschutz und Sportbekleidung. In den nächsten Tagen ist die restliche Ausrüstung dran. Und dann geht es los mit der Grundausbildung – zum letzten Mal mit richtigen Wehrpflichtigen, die nicht alle freiwillig nach Roth gekommen sind, auch wenn sich am Montag niemand so recht „outen“ wollte.