Die Ribot-Saga: Sabine Weigand über ihr neues Buch

9.3.2018, 05:58 Uhr
„Mir ging es um möglichst viel Lokalkolorit“: Dr. Sabine Weigand lässt ihren Gründerzeit-Roman in Schwabach spielen.

© Günther Wilhelm „Mir ging es um möglichst viel Lokalkolorit“: Dr. Sabine Weigand lässt ihren Gründerzeit-Roman in Schwabach spielen.

Frau Weigand, in Ihrem letzten Buch haben sie die ungewöhnliche Biographie von "Helga", einer Schwabacherin, nachgezeichnet. Nun ist Schwabach erstmals Schauplatz eines ihrer historischen Romane. Ist das Zufall oder die bewusste Hinwendung zu ihrer Heimatstadt?

Sabine Weigand: Zufall war eher das Buch "Helga". Ich wollte einmal weg vom Mittelalter. Die Idee mit Fritz Ribot trage ich schon lange mit mir herum. Ich habe früher ja bereits über die Familie geforscht.

Was fasziniert Sie an Fritz Ribot?

Sabine Weigand: Das Faszinierende ist der Aufstieg von einer Ein-Mann-Siederei zu einer Weltfirma, deren Höhenflug und bitterer Niedergang. Ribot war die viertgrößte Seifenfirma in Deutschland und die größte in Bayern. Spannend ist aber auch das Thema Seifenherstellung. Heute hat man Flüssigseife für die Hände, Shampoo für die Haare, Waschmittel, Glasreiniger: Alles ist spezialisiert. Vor 100 Jahren gab es nur Seife. Die war unheimlich wichtig.

Gründer der Firma war Philipp Benjamin Ribot, der 1849 die kleine Seifensiederei von Christian Strunz übernahm. Der Aufstieg begann mit seinem Sohn Fritz. Was war Fritz Ribot für ein Mann?

Sabine Weigand: Er war der geniale Unternehmer. Ein weltläufiger Mann, der vier Jahre in Moskau und auch in Pittsburgh in den USA gearbeitet hat. Später wurde er Kommerzienrat, Landtagsabgeordneter der Liberalen und schließlich Ehrenbürger Schwabachs. Die Ribots waren eine Honoratiorenfamilie und Fritz Ribot ein charismatischer Patriarch, der gleichzeitig humorvoll und auch etwas skurril war: Zum Beispiel wollte er nach seinem Tod verbrannt werden, und die Asche sollte auf der Weide seiner geliebten Pferde verteilt werden.

Die Ribot-Saga: Sabine Weigand über ihr neues Buch

© Foto: Stadtarchiv

Was war sein Erfolgsgeheimnis?

Sabine Weigand: Er war sehr innovativ. Ribot hatte die erste Dampfmaschine Schwabachs, die heute vorm Stadtmuseum steht, das Telefon mit der Nummer 1. Er hat aus Amerika Werbeideen mitgebracht: Sammelpunkte, ein Malbuch für Kinder, später machte er Kinowerbung. Das alles war völlig neu.

Und die Seife selbst war auch außergewöhnlich?

Sabine Weigand: Ja, die beiden Flaggschiffe waren die "Schwalbenseife", eine schwimmende Seife, und die "Ray-Seife" mit Hühnerei. Deshalb galt sie als sehr gesund für die Haut. Exportiert wurde bis nach China. Die Firma stellte aber auch Rasierschaum, Zahnpulver, und Waschmittel her. Eine Riesenpalette von ganz einfachen Seifen bis zu Luxusprodukten mit besonderen Düften. Daher auch der Titel des Buches.

Wann war die Hochzeit der Firma?

Sabine Weigand: Von 1880 bis 1914. Da dürfte sie etwa 50 bis 60 Mitarbeiter gehabt haben, genaue Zahlen sind nicht bekannt.

Was führte in den Niedergang?

Sabine Weigand: Vom Ersten Weltkrieg hat sie sich nie wieder erholt. Keiner hat mehr teure Seife gekauft. Zwei Drittel der deutschen Seifensiedereien mussten schließen. Ribot hat es noch irgendwie geschafft, aber dann folgte der desaströse Preiskampf mit großen Firmen wie Henkel oder Sunlicht. So begann ein ganz qualvolles, langsames Sterben, bis es 1953 vorbei war.

Fritz Ribot hat all das nicht mehr erlebt. Er ist 1914 im Alter von 61 Jahren gestorben. Dann hatte sein Bruder Konrad die Alleinverantwortung. Auch ein Grund für den Abstieg?

Sabine Weigand: Ich bin sicher: Wenn Fritz noch gelebt hätte, dann hätte die Firma die schwierige Zeit gepackt. Konrad aber hatte kein Unternehmer-Gen.

Im Mittelpunkt der Handlung stehen zwei Liebesgeschichten. Die von Fritz mit der jungen Russin Sascha und seine spätere Ehe mit Sophie. Wahrheit oder Fiktion?

Sabine Weigand: Das ist ja ein Roman und keine Biographie. Aus dramaturgischen Gründen ist vieles meiner Phantasie entsprungen. Aber Sascha gab es wirklich. Sie war die große Jugendliebe während seiner Zeit in Moskau, wollte aber nicht mit nach Deutschland. Geheiratet hat er später seine amerikanische Cousine Sophie, eine bildhübsche Frau. Ich denke, dass das eine Liebesheirat war.

Dann ist da noch die schwierige Liebe seiner Schwester Lisette mit dem Arbeiter Hans, einem Goldschläger.

Sabine Weigand: Die ist erfunden. In meinem Schwabach-Roman wollte ich einfach einen Goldschläger mitwirken lassen. An diesen beiden zeigt sich zudem der Kontrast zwischen Bürgertum und der Arbeiterschaft. Schwabach war eine Arbeiterstadt, vor allem mit der Nadelindustrie.

Wenn Hans erfunden ist — kommen auch historische Persönlichkeiten aus der Arbeiterschaft vor?

Sabine Weigand: Ja, zum Beispiel Georg Baum, der Gründer der Arbeiterbewegung in Schwabach, oder Michael Hierl, der spätere SPD-Landtagsabgeordnete. Das Arbeitermilieu und den Aufstieg der Sozialdemokratie zu schildern hat mir besonderen Spaß gemacht.

Ein Denkmal setzen Sie auch der berühmten "Silbernen Kanne", dem Stammlokal der SPD.

Sabine Weigand: Mir ging es um möglichst viel Lokalkolorit. Dafür habe ich zwei Jahre lang auch Details wie die Einrichtung der "Kanne" recherchiert.

Auf dem ehemaligen Firmengelände in der Nürnberger Straße stehen inzwischen Wohnungen. Was ist von Ribot außer der Ausstellung im Stadtmuseum geblieben?

Sabine Weigand: Es gibt noch eine Villa, in der auch ein Urenkel von Fritz Ribot wohnt. Und es steht noch eine Fabrikhalle in der Walpersdorfer Straße. Die war schon bezugsfertig. Der Umzug war Fritz Ribots Lebenstraum. Aber dann kam der Erste Weltkrieg dazwischen.

 

Keine Kommentare