Panoramalauf Wendelstein 2017: Der Sport hält jung

2.4.2017, 11:50 Uhr
Panoramalauf Wendelstein 2017: Der Sport hält jung

© Robert Gerner

Zum Beispiel die Geschichte von Hans Pfähler. Der 76-Jährige hat bislang noch keinen Panoramalauf ausgelassen. Auf der Strecke war das Wendelsteiner Urgestein aber nur bei der Premiere unterwegs. "Dann haben sie mir gesagt, dass ich die Moderation übernehmen soll", erzählt er. Also ist er seit Ende der 1990-er Jahre die Stimme des Panoramalaufs. Sein Equipment sieht aus wie aus der Zeit gefallen. Seltsam anachronistisch aussehende Flüstertüten hat er mit Spanngurten auf sein Autodach gespannt, das er vor dem Gymnasium geparkt hat, dem Start-, Durchlauf- und Zielpunkt des Laufs. Aus dem leicht geöffneten Fenster schlängelt sich ein schwarzes Kabel, an dessen Ende ein goldfarbenes Mikrophon befestigt ist. "Früher hat die Anlage die Katholische Kirche für ihren Fronleichnamszug benutzt", erzählt Pfähler.

Knapp 100 Frauen und Männer gehen in diesem Jahr beim Hauptlauf über die 10 500 Meter an den Start. Weil jeder zwei große und eine kleine Runde laufen muss, kommen alle mehrfach am Wettkampfsprecher vorbei. Der hat für jeden anfeuernde oder aufmunternde Worte parat, auf einer großen Tafel sind die Startnummern und die Namen und die Vereine notiert. Pfähler kennt viele aber auch so: Die Nichte seiner Nachbarin zum Beispiel, und natürlich seinen Sohn Erik, einen Arzt und Triathleten, der das Heimspiel für eine verschärfte Trainingseinheit nutzt.

Sein letzter Auftritt?

Der 20. Panoramalauf wird wahrscheinlich Pfählers letzter Auftritt bei dieser traditionsreichen Veranstaltung sein. Der Hobby-Schriftsteller ist in vielen anderen Bereichen engagiert, "ich hab’s meiner Frau versprochen, dass ich aufhöre", erzählt er.

Bei seinem Finale gibt er aber noch einmal alles. "Schaut Euch die Zeiten an", sagt er zu den wenigen Zuschauern, "wirklich starke Läufer sind das". Immerhin 20 Männer brauchen für die 10 500 Meter weniger als eine Dreiviertelstunde. Später, als die Seniorenläufer und die Hobbysportler eintrudeln, setzt Pfähler noch den einen oder anderen Superlativ drauf: "Alles unter einer Stunde ist fast Weltklasse", erklärt er.

Wenn dem so ist, dass schrammt Theodor Bärnreuther an diesem ungewöhnlich warmen 1. April knapp an der Weltklasse vorbei. Er benötigt für die drei Runden nämlich 1:04:39 Stunden, was Platz 62 von 69 Männern bedeutet. Doch Bärnreuther kommt dafür mit dem breitesten Lächeln aller Starter ins Ziel. Laufen ist für ihn nach wie vor eine schöne Freizeitbeschäftigung. Immerhin hat der Röthenbacher, der in den 1980-er Jahren zu den ersten Deutschen gehört hat, die sich auf die Triathlon-Langdistanz gewagt haben, die 80 inzwischen überschritten. Sport, das zeigt sein Auftritt, hält eben jung.

Am Zielkanal vorbei

Im Ziel wird der Senior im Feld von seinem langjährigen Weggefährten Kurt Einsiedel empfangen, der noch bis vor wenigen Jahren Triathlon betrieben hat, der es aber jetzt ein wenig ruhiger angehen lassen muss.

Als Theo Bärnreuther ins Ziel kommt, ist Maria Siebentritt schon längst da. Die Schwanstettenerin war die schnellste Frau. Nur hat das kaum jemand mitbekommen, weil sie nach der dritten Runde nicht in den Zielkanal eingebogen, sondern geradeaus weitergelaufen ist. Auf dem Zielfoto ist sie deswegen nicht erfasst, in den Ergebnislisten vorerst nicht notiert. Doch ein Gespräch mit Christian Gußner, dem Organisationschef, reicht, um von Null auf Eins gesetzt zu werden. Siebentritt ist überglücklich. Die Zeit? Wird einfach geschätzt. Schließlich geht’s hier nicht um Meisterehren und schon gar nicht um Rekorde.

Positives Fazit

Gußner zieht ein einigermaßen positives Fazit des Jubiläumslaufs, der ausnahmsweise samstags ausgetragen wurde, weil er selbst am Sonntag Geburtstag hat und deshalb nicht hätte dabeisein können. In den Tagen vor dem Wettkampf hat die Zahl der Meldungen noch einmal spürbar angezogen, am Ende sind es immerhin 248 Starterinnen und Starter in den verschiedenen Läufen, ein paar mehr als im Jahr zuvor. Aber die Rekordjahre mit 400 Athleten und mehr sind längst vorbei.

Sie sind vorbei, weil viele Freizeitläufer ein wenig Ansgst vor dem vergleichsweise hohen Noveau bei den kleineren Veranstaltungen haben. "Die laufen dann lieber in Nürnberg im Getümmel mit 5000 anderen, weil sie auf die zehn Kilometer dann auch mit einer Zeit von 1:15 Stunden noch im Pulk mitschwimmen können", erklärt Gußner.

95 Prozent für Platz 2

Mitschwimmen ist für Stefan Böllet natürlich zu wenig. Der Pavelsbacher hat im Vorjahr immerhin den begehrten Läufercup gewonnen und liegt auch im laufenden Jahr schon wieder gut im Rennen. Am Rothsee und in Treuchtlingen hat er gewonnen, in Wendelstein ist er auch mit Platz zwei zufrieden. "Der Fraol ist halt Äthiopier und ich bin Deutscher", erklärt der Bautechniker. "Er hat mich bisher immer geschlagen, wenn wir zusammen in einem Lauf waren."

Eine Runde lang kann Böllet Kontakt halten zum Kriegsflüchtling, der für die Firma Memmert arbeitet und für das Team Memmert läuft, dann muss er abreißen lassen. Macht aber nichts. Von hinten droht keine Gefahr, da kann Böllet auf den zweiten fünf Kilometern ein wenig herunterschalten. 95 Prozent Leistung reichen für Platz zwei, nächste Woche beim Halbmarathon in Hilpoltstein geht’s schließlich weiter, auch da hat der sympathische Pavelsbacher einen ersten Platz aus dem Vorjahr zu verteidigen.

Doch die Konkurrenz schläft nicht. "Frau, Kinder, Arbeit, und dann das Training zwischendurch, es wird nicht leichter für mich", sagt der 33-Jährige gut gelaunt. Und dann noch: "Und jünger werde ich auch nicht." Theordor Bärnreuther, der 80-Jährige aus Röthenbach/St. W., befindet sich da noch auf seiner letzten Runde.

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